Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6102
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des von einer deutsch-britischen Kollaboration an der Spallationsneutronenquelle ISIS betriebenen KARMEN-Experiments. ISIS ist eine intensive, gepulste Quelle von nm, ne, und` nm Neutrinos, die aus der p+-m+-Zerfallskette in Ruhe mit wohldefinierten Energien bis zu 52.8 MeV entstehen. Der KARMEN-Detektor ist ein 56 t Flüssigszintillationskalorimeter, der sich in 17.6 m Abstand zur Quelle befindet und von einer massiven, 7000 t schweren Eisenabschirmung gegen strahlkorrelierten und durch kosmische Strahlung induzierten Untergrund geschützt wird.
KARMEN hat eine Vielzahl kernphysikalischer Fragestellungen untersucht und konnte Wirkungsquerschnitte u.a. der Neutrinoreaktionen 12C(ne,e-)12Ng.s., 12C(n,n´)12C*, 13C(ne,e-)13Ng.s. und 56Fe(ne,e-)56Co vermessen und dabei die Gültigkeit des Standardmodells bestätigen. Mit Hilfe dieser Nachweisreaktionen konnte darüber hinaus die Suche nach Neutrino-Oszillationen in den Kanälen nm ® ne, ne ® nx und` nm ®` ne die bisher ohne Hinweis auf Oszillationen blieb, durchgeführt werden. Die Sensitivität im` nm ®` ne-Kanal war dabei durch myoninduzierten Neutronenuntergrund durch tief-inelastische Reaktionen und Einfänge gestoppter Myonen in der massiven Eisenabschirmung limitiert. Im Rahmen dieser Arbeit konnte mit Hilfe umfangreicher Monte-Carlo Simulationen und durch Spezialmessungen die Natur der beiden Untergrundkanäle zweifelsfrei aufgeklärt werden und u.a. die Multiplizität der oberhalb von 10 MeV bei Einfängen gestoppter µ- emittierten Neutronen zu 0.0671±0.0066(stat)±0.0134(syst) pro Einfang bestimmt werden.
Auf diesen Ergebnissen beruhend wurde im Jahr 1996 der KARMEN-Upgrade durchgeführt und ein 300 m2 großes Vetozählersystem in die 2 m dicken Wände und die 3 m dicke Decke der Eisenabschirmung eingebracht. Dies ermöglicht den effizienten Nachweis von Myonen in der Nähe des Zentraldetektors, die potentiell Neutronen produzieren, die in den Zentraldetektor eindringen und dort eine` ne Nachweissignatur simulieren. Die Anordnung der Vetozähler wurde mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen optimiert und dadurch eine Nachweiswahrscheinlichkeit von 99.4% für Myonen erreicht.
Durch eine umfassende Analyse der nach dem KARMEN-Upgrade 1997 aufgenommenen Daten konnte gezeigt werden, daß sich der Untergrund mit einer single prong Signatur für Energien zwischen 20 und 50 MeV um einen Faktor 29.7±2.2 reduziert. Damit lassen sich Neutrino-Kernreaktionen mit einem Signal zu Untergrundverhältnis von 50:1 nachweisen. Der Untergrund mit einer sequentiellen Neutronensignatur konnte um einen Faktor 42.6±8.4 in übereinstimmung mit den Vorhersagen der Simulationen reduziert werden. Dadurch wurde die Sensitivität für` nm ®` ne Oszillationen wesentlich gesteigert. In den 1997 aufgenommenen Daten mit 1414 C akkumulierter Protonenladung wurde keine Sequenz mit der Signatur eines` ne Nachweises gefunden. Daraus läßt sich eine obere Grenze für den Oszillationsparameter sin22q von sin22q < 6.2´10-3 (90% C.L.) für Dm2 ³ 100 eV2 bestimmen. Diese obere Grenze ist bereits sensitiver als die aus der Analyse der KARMEN-Daten aus den Jahren 1990-1995 gewonnene Grenze.
Durch eine eingehende Analyse des nach dem Upgrade verbleibenden Untergrunds und umfangreiche Monte-Carlo Studien konnte gezeigt werden, daß die Sensitivität von KARMEN nach weiteren zwei Meßjahren ausreichen wird, um mit 90% C.L. Mischungswinkel sin22q > 1.6´10-3 auszuschließen, falls keine Oszillationen gefunden werden. Diese Sensitivität reicht aus, um praktisch den gesamten durch die Evidenz für` nm ®` ne Oszillationen des LSND-Experiments favorisierten Parameterbereich zu überdecken.
The muon induced background for the search for` nm ®` ne oscillations and its elimination by the KARMEN upgrade
Abstract
The present work was performed in the framework of the KARMEN experiment run by a German-British collaboration at the neutron spallation source ISIS. ISIS is an intense, pulsed source of nm, ne, and` nm neutrinos produced by the p+-m+ decay chain at rest with well defined energies up to 52.8 MeV. The KARMEN detector is a 56 ton liquid scintillation calorimeter at a distance of 17.6 m from the source and is protected by a 7000 ton iron shielding against beam correlated and cosmic ray induced background.
KARMEN has investigated a variety of nuclear physics questions by measuring the cross sections of the reactions 12C(ne,e-)12Ng.s., 12C(n,n´)12C*, 13C(ne,e-)13Ng.s. and 56Fe(ne,e-)56Co, thus validating the standard model. Moreover these reactions have been used to search for neutrino oscillations in the channels nm ® ne and ne ® nx with no hint for oscillations. The sensitivity in the ` nm ®` ne channel using the detection reaction ` ne + p ® n + e+ was limited by background from deep inelastic muon-nucleus scattering and captures of stopped muons in the massive iron shielding. Extensive Monte Carlo studies and the analysis of special measurements as a main part of the present work revealed the nature of both background channels. Among other results the multiplicity of neutrons of 0.0671±0.0066(stat)±0.0134(syst) emitted above 10 MeV per capture of stopped µ- was obtained.
Based on these results the KARMEN upgrade was carried out during 1996. A veto counter system of 300 m2 total area was installed inside the 2 m thick walls and the 3 m thick roof of the iron shielding. This veto system allows the efficient detection of muons in the vicinity of the central detector, which potentially produce neutrons that can enter the main detector and thus simulate a` ne detection signature. The arrangement of the veto counters was optimized with the help of Monte Carlo simulations resulting in a total detection efficiency of 99.4% for muons.
A thorough analysis of the data taken in 1997 after the KARMEN upgrade shows, that the background with a single prong signature and energies between 20 and 50 MeV is reduced by a factor 29.7±2.2. Due to that reduction, neutrino-nucleus interactions can be detected with a signal to background ratio of 50:1. The background with a sequential neutron signature could be reduced by a factor 42.6±8.4 in agreement with the predicitions of the simulation. Thus the sensitivity for ` nm ®` ne oscillations could be raised considerably. In the data taken in 1997 with an accumulated proton charge of 1414 C no sequence with the signature of a ` ne detection could be found. Hence follows an upper limit for the oscillation parameter sin22q of sin22q < 6.2´10-3 (90% C.L.) for Dm2 ³ 100 eV2. This upper limit is more sensitive than the limit obtained from an analysis of the KARMEN data taken in the years 1990-1995 already.
A detailed analysis of the background remaining after the upgrade and comprehensive Monte Carlo studies have shown that the sensitivity of KARMEN after two more years of measuring time will be large enough to exclude mixing angles sin22q > 1.6´10-3 with 90% C.L., in case no oscillations occur. This sensitivity will then allow to cover nearly the entire range of oscillation parameters favoured by the evidence for` nm ®` ne oscillations of the LSND experiment.