Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6281

Bestimmung von Turbulenzparametern und der Schallabsorption mit einem Wind-Temperatur-RADAR

Zusammenfassung

Das Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe betreibt ein RADAR Gerät, mit dem Vertikalprofile von Wind und Temperatur in der atmosphärischen Grenzschicht gemessen werden können. Dazu wird das Signal genutzt, das an turbulenten Inhomogenitäten der Luftfeuchte und der Temperatur gestreut wird (Clear-Air-Signal). Da sich diese Inhomogenitäten mit dem Wind bewegen, kann aus der Doppler-Verschiebung des Clear-Air-Signals die Windgeschwindigkeit abgeleitet werden. Zusätzlich können Schallwellen abgestrahlt werden, an denen das RADAR-Signal reflektiert wird (RASS-Signal, Radio Acoustic Sounding System). Dabei muß die Schallfrequenz so gewählt werden, daß die Bragg-Bedingung erfüllt wird. Aus der Doppler-Verschiebung des RASS-Signals kann die Schallgeschwindigkeit und daraus die Temperatur abgeleitet werden. Bei diesen Standardanwendungen des Wind-Temperatur-RADAR werden aus den Peaks in den Empfangsspektren nur die ersten Momente (Doppler-Verschiebungen) verwendet. In dieser Arbeit werden aus den nullten und zweiten spektralen Momenten weitere Parameter gewonnen:

Zunächst werden Profile des Strukturparameters des Vertikalwinds aus den zweiten spektralen Momenten (Doppler-Verbreiterungen) berechnet. Der Strukturparameter steht in engem Zusammenhang mit der Dissipationsrate und ist ein Maß für die Intensität der Turbulenz im Inertialbereich (Skalen zwischen einigen Zentimetern und einigen hundert Metern). Aus den Doppler-Verbreiterungen der RASS-Peaks ergeben sich kleinere Werte des Strukturparameters als aus denen der Clear-Air-Peaks. Bei starker Turbulenz reicht die Auflösung des Wind-Temperatur-RADAR aus, um den Strukturparameter zusätzlich aus Zeitreihen der Vertikalgeschwindigkeit zu berechnen. Der Vergleich der beiden Meßmethoden deutet darauf hin, daß der Strukturparameter durch die Doppler-Verbreiterungen der Clear-Air-Peaks richtig wiedergegeben wird.

Anschließend werden aus der Abnahme des nullten spektralen Moments (Leistung) der RASS-Peaks mit der Meßhöhe Profile der Schallabsorption berechnet. Aus diesen kann prinzipiell die Luftfeuchte abgeleitet werden. Damit die Ableitung der Absorption gelingt, muß der kombinierte Effekt von Horizontalwind und Turbulenz auf die RASS-Empfangsleistung berücksichtigt werden. Dieser Einfluß ergibt sich daraus, daß das RADAR-Signal durch die kugelförmigen Schallwellenfronten zum sogenannten Empfangsfleck fokussiert

wird. Durch den Horizontalwind wird das Zentrum der Schallwellen, und damit der Empfangsfleck verschoben, wodurch er die Empfangsantenne nicht mehr genau trifft. Indem die Schallquelle bis zu 5~m weit in den Luv des RADAR gefahren wird, kann die Verschiebung der Schallwellen kompensiert werden. Dies gelingt jedoch zu einer bestimmten Zeit nur für eine Meßhöhe exakt. Daß in den anderen Meßhöhen trotzdem ein Signal empfangen werden kann, liegt daran, daß den Schallwellen durch turbulente Inhomogenitäten des Brechungsindex der Schallausbreitung (vor allem Variationen des Vertikalwinds) Phasenvariationen aufgeprägt werden und dadurch der Empfangsfleck verbreitert wird. Die Verbreiterung des Empfangsflecks wird mit Hilfe eines aus der Literatur bekannten theoretischen Ansatzes aus dem Profil des Strukturparameters berechnet. Zum Vergleich wird die Verbreiterung durch sogenannte Empfangsfleckvermessungen bestimmt, indem der Verlauf der Empfangsleistung in Abhängigkeit von der Position der Schallquelle untersucht wird. Dabei zeigt sich, daß die Verbreiterung des Empfangsflecks mit Hilfe der Strukturparameterprofile, die aus den Doppler-Verbreiterungen der Clear-Air-Peaks gewonnen wurden, überschätzt wird. Dies kann dadurch erklärt werden, daß bei der verwendeten theoretischen Berechnung der Fleckverbreiterung die Vorwärtsstreuung der Schallwellen in der Born-Näherung berechnet wird. Durch die Vernachlässigung der Mehrfachstreuung nehmen die Phasenvariationen der Schallwellen linear mit der zurückgelegten Strecke zu. In Wirklichkeit erreichen diese Phasenvariationen jedoch eine Sättigung. Durch die Born-Näherung ergeben sich also zu starke Phasenvariationen. Dies wird anscheinend durch die zu kleinen Werte der RASS-Strukturparameter kompensiert.

Unabhängig vom Profil des Strukturparameters zeigt sich, daß die RASS-Empfangsleistung in den unteren 300 bis 500~m deutlich kleiner ist, als aufgrund der Theorie erwartet wird. Dadurch gelingt die Bestimmung der Schallabsorption in diesem Höhenbereich nur ungenau.

Bei der theoretischen Ableitung der Verbreiterung des RASS-Empfangsflecks wurde in der Literatur bisher nur die turbulente Verformung berücksichtigt, welche die Schallwellen auf dem Weg von der Quelle bis zum Meßvolumen erfahren. Die Variationen der radialen Schallgeschwindigkeit innerhalb des Meßvolumens führen dazu, daß die Bragg-Bedingung nicht gleichzeitig im ganzen Meßvolumen erfüllt wird. Folglich wird das RADAR-Signal bei einer bestimmten Schallfrequenz nur von einem Teil des Meßvolumens zurückgestreut, was zu einer zusätzlichen Verbreiterung des Empfangsflecks führt. Dadurch ist die Empfangsleistung nicht proportional zur Größe der streuenden Bereiche, und folglich wird die Geschwindigkeitsverteilung in den Doppler-Spektren verzerrt wiedergegeben. Unter turbulenten Bedingungen werden große Bereiche einheitlicher Geschwindigkeit überrepräsentiert. Dadurch kann erklärt werden, warum sich aus den Doppler-Verbreiterungen der RASS-Peaks zu kleine Werte des Strukturparameters ergeben. Eine erste Abschätzung dieses Effekts wird gegeben. Bei dieser Abschätzung geht jedoch das Verhältnis der Fleckverbreiterungen ein, die durch den neuen und den aus der Literatur bekannten Mechanismus hervorgerufen werden. Daher kann die Unterschätzung der Strukturparameterprofile, die aus den Doppler-Verbreiterungen der RASS-Peaks gewonnen werden, erst dann realistisch berechnet werden, wenn bei der Berechnung der Fleckverbreiterung, die aus dem von der Literatur bekannten Mechanismus folgt, die Mehrfachstreuung berücksichtigt wird.

Measuring Parameters Describing Atmospheric Turbulence and the Absorption of Sound with a RADAR/RASS Profiler

Abstract

The Institut für Meteorologie und Klimaforschung of the Forschungszentrum Karlsruhe operates a RADAR which can measure vertical profiles of wind and temperature in the planetary boundary layer. The speed of the wind is deduced from the Doppler shift of the signal scattered by turbulent inhomogeneities of humidity and temperature (clear air signal). Additionally the velocity of sound, and therefore the temperature, is deduced from the RADAR signal scattered by sound waves transmitted at a frequency that allows the Bragg condition to be satisfied (RASS-Signal, Radio Acoustic Sounding System). For these standard applications only the first moments of the peaks in the receiving spectra are used, which correspond to the Doppler shifts. In this work additional parameters are deduced from the zeroth and the second spectral moments.

First, profiles of the structure parameter of the vertical component of the wind are estimated from the second spectral moments, which correspond to the Doppler broadening. The structure parameter is closely related to the rate at which turbulent kinetic energy is dissipated and can be regarded as a measure for the intensity of turbulence in the inertial subrange (scales between a few centimeters and some hundreds of meters). It turns out that the Doppler broadening of the RASS peaks give{s} smaller values of the structure parameter than that of the clear air peaks. In situations of strong turbulence an independent estimate of the structure parameter can be obtained from time series of measurements of vertical velocity. The comparison of these methods indicates that the Doppler broadening of the clear air peaks gives correct profiles of the structure parameter.

Subsequently the absorption of sound waves is deduced from the loss of RASS receiving power (zeroth spectral moment) with increasing range. As the absorption of sound waves strongly depends on humidity the latter can be deduced from the first. To obtain the absorption the combined effect of horizontal wind and turbulence on the RASS receiving power has to be considered. The RADAR signal is focused to the so-called receiving spot by the spherical sound wave fronts. As the sound waves are advected with the horizontal wind the spot is shifted off the receiving antenna. To compensate for the advection of the sound waves the sound source is moved to an upwind position. This can only be achieved for one measuring height. The reception of signal from other heights is possible because the sound waves are deformed by turbulent variations of wind and temperature, which causes broadening of the receiving spot. This broadening can be calculated from the profile of the structure parameter with the help of theoretical work taken from literature. It has been compared with profiles of the spot width obtained by scanning the receiving power along the receiving spot. With our profiler this can be accomplished by moving the sound source to different positions. The scanned values of the spot width turn out to be narrower than those calculated from the profiles of the structure parameter. This result indicates that the Born approximation which has been used for calculating the spot broadening is not sufficient.

It is also shown by the experiments that RASS receiving power from lower measuring heights (up to 500~m) is significantly smaller than expected theoretically. Therefore no precise estimation of the absorption in those heights is possible.

In the theoretical works concerning RASS receiving spot in literature only the deformation of the sound wave fronts introduced by turbulent variations on the way from the source to the measuring volume has been considered. An additional spot broadening is caused by variations of the radial sound velocity in the measuring volume. Due to these variations the signal scattered from different sub-regions of the measuring volume has different Doppler frequency shifts. Therefore they can not add coherently and focusing is only accomplished by sub-regions with a homogeneous radial velocity. Focusing is best for large regions with homogeneous radial velocity, which gives an explanation why the structure parameter is underestimated by the width of the RASS peaks. A first estimate for this effect is given. For this estimate the ratio of the spot broadening introduced by the new mechanism and the mechanism known from literature is needed. Therefore a realistic prediction of the underestimation of the structure parameter obtained from the width of the RASS peaks can not be given until multiple scattering is allowed for in the analysis of the spot broadening mechanism known from literature.