Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6326

Zusammenfassende Darstellung

Bei instabilen Rissen ist die Rißgeschwindigkeit eine wichtige Größe, um die instabile Rißausbreitung zu charakterisieren und die Struktur der Bruchfläche zu verstehen. In dieser Arbeit wurde die instabile Rißausbreitungsgeschwindigkeit von vier polymeren Werkstoffen bei tiefen Temperaturen (77 K bis 200 K) gemessen. Dazu ist eine neue Probenform eingesetzt worden, die sich auf einer Seite mit einer Aluminiumschicht bedampfen läßt, wodurch die Messung der Rißlänge über den Widerstand dieser Schicht ermöglicht wird. Die Proben wurden so gestaltet, daß ein Stopp des instabilen Risses innerhalb der Probe begünstigt wird.

Die Rißgeschwindigkeit ist in den einzelnen Polymeren, sowohl was den Verlauf als auch die mittlere Rißgeschwindigkeit betrifft, äußerst verschieden. So zeigt Polymethylmethacrylat eine nahezu konstante Rißgeschwindigkeit unabhängig von der Rißlänge, wohingegen die Risse in Polyamid12 innerhalb des nur etwa 100 µs dauernden Rißfortschritts mehrfach bis auf 1000 m/s beschleunigen und wieder stoppen.

Es zeigten sich z. T. deutliche Korrelationen zwischen der Rißgeschwindigkeit und bestimmten Strukturen der Bruchfläche, was zum Verständnis dieser Strukturen sehr nützlich ist. Jedoch erwies sich die Charakterisierung des Bruchverhaltens durch die Bruchparameter und die elastischen Eigenschaften als nicht ausreichend. Auch der amorphe oder teilkristalline Aufbau der Polymere ist für das Rißgeschwindigkeitsprofil eher von untergeordneter Bedeutung.

Die Ausbreitung eines instabilen Risses in Polymeren kann – zumindest bei tiefen Temperaturen – nicht allein durch die beim Rißfortschritt freigesetzte Energie verstanden werden, wie es bei den meisten bisher existierenden theoretischen Modellen der Fall ist. Es deutet alles darauf hin, daß die adiabatische Erwärmung im Bereich der Rißspitze und die damit verbundenen Orientierungseffekte der Polymerketten das Rißausbreitungsverhalten entscheidend mitbestimmen.

Velocity of unstable propagating cracks in polymers at low temperatures

The crack velocity is very important to characterize the unstable crack propagation and to understand the structure of the crack surface. In this work the unstable crack velocity in four different polymers was measured at cryogenic temperatures (77 to 200 K). Therefore a new specimen was developed that can be covered with an aluminum layer on one side. The resistance of this layer is used as an indicator for crack propagation. The specimen was designed in such a way that an unstable crack is likely to stop within the specimen.

Both, the average crack velocity and the crack velocity profile, was very different in the examined polymers. Polymethylmethacrylate for example showed a nearly constant crack velocity independent of the crack length, whereas the cracks in polyamid12 accelerated up to 1000 m/s and stopped again several times during crack propagation.

There is a clear correlation between the crack velocity and certain structures of the crack surface, and the measurements were very useful to understand these structures. But it was not possible to characterize the behavior of an unstable crack just considering the fracture parameters or the elastic properties of the polymere. It was also less important whether the polymers showed an amorphous or semicrystalline structure.

The propagation of an unstable crack in a polymere cannot be understood when only the energy release rate is taken into account, like it is done in most theoretical models. There is evidence that the adiabatic heating at the crack tip causes an orientation of the polymer chains and that this orientation has a crucial influence on the crack propagation in polymers at low temperatures.