Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6398
Anthropogener und geogener Einfluß auf die regionale Hydrogeochemie durch Öffnung der Braunkohlenlagerstätten: Mineralogische Signaturen des Abraums in Cospuden und Zwenkau
R. Cesnovar
Zusammenfassung
Die Bestimmung der mineralogischen Signaturen des
Abraums als Aufgabe dieser Arbeit hat gezeigt, dass sich der
Mineralphasenbestand seit der Durchmischung und Ablage der tauben Sedimente in
charakteristischer Weise verändert hat. Diese Veränderungen beruhen infolge der
Belüftung auf der Oxidation von Pyrit, dessen mittlerer Gehalt mit 3,6% bei der
Ablage der gemischten Sedimente ermittelt wurde. Das entspricht 35 kg Pyrit pro
m3 Abraum, der bei Luftzutritt zur raschen Ausbildung einer
Oxidationszone führt, die zuerst bei der teufenabhängigen mineralphasenanalyse
an Proben aus der SGM-Bohrung in der abgedeckten Kippe in Cospuden entdeckt
wurde. Sie ist dort mit einer Mächtigkeit von mehreren Metern im Bereich der
ehemaligen Kippenoberfläche, jetzt in einer Tiefe von etwa 20 Metern, mit den
wasserlöslichen Inventaren konserviert. Die Oxidation der Pyrite, die in der
Hauptmenge aus den tauben Sedimenten und zum Teil aus der Braunkohle stammen,
führt zur Bildung von wasserlöslichem FeSO4 und Schwefelsäure (29 kg
m-3). Sie treibt die Auflösung einer Reihe von Mineralen im Abraum
und die Bildung von Sekundärphasen. Überraschenderweise konnte bei der
korngrößenabhängigen Untersuchung von Proben unterschiedlichen Alters zum
ersten Mal Heulandit nachgewiesen werden. Als Quelle wurde der Graue Sand der
Böhlener Schichten erkannt, in dem er als Nebenbestandteil auftritt. Für die
Frage, ob die in dieser Arbeit untersuchten Proben bezüglich ihrer Homogenität
repräsentativ für das Geschehen auf der Kippe sind, ist der Nachweis von
Heulandit, der aus einem einzigen Sediment stammt, nach der Durchmischung beim
Schneiden und der Ablage in fast allen Proben der gemischten Sedimente ein
weiterer Beleg für die vorliegende Mischungsgüte. Die Ausbildung der
Oxidationszone in Zwenkau konnte auf der offenen Kippe durch die
altersabhängige Untersuchung von Proben von der Oberfläche und aus einer Tiefe
bis zu 2 Metern verfolgt werden. Die Pyritoxidation ist in Rippen der Kippe,
die bis zu 10 Meter hoch sind, über die ganze Tiefe bis 2 Meter in weniger als
einem Jahr unter Freisetzung der Schwefelsäure oxidiert. Die Folgereaktionen
führen zur Bildung von Gips, einem wichtigen Anzeiger für die Oxidation in
praktisch allen Proben aus den gemischten Sedimenten, von amorpher Kieselsäure
und von Jarosit als sekundäre Minerale. Jarosit, dessen Bildung auf der Kippe
wegen der Annahme einer laufenden Sickerwasserbildung nicht erwartet wurde,
kann mit Gehalten von bis zu 10 % auftreten. Die Oxidationszone in Zwenkau
entwickelt sich schätzungsweise bis in eine Tiefe von fünf Metern, und die
wasserlöslichen Inventare sind ortstreu geblieben. Dass diese gewaltige
Versauerung, von der allein in Zwenkau auf einer Fläche von rund 12 km2
rund 6 · 107 m3 betroffen sind und die bisher in
Deutschland beispiellos ist, nicht erkannt wurde, liegt an dem besonderen
Wasserhaushalt der Kippe. Durch die ablagebedingte Rippenstruktur ihrer
Oberflächen wird bereits bei den ersten Niederschlägen feinkörniges Material
von den Flanken in die Täler verfrachtet und der Boden abgedichtet. So wird das
ablaufende Regenwasser gestaut, und es kann zum größten Teil verdunsten. Bei
den insgesamt relativ niedrigen Niederschlägen in der Region wird praktisch
dadurch kein Sickerwasser gebildet, und die gewaltigen Mengen an Schwefelsäure
sowie die inzwischen entstandenen wasserlöslichen Salze aus den Folgereaktionen
verbleiben ortstreu in den ausgedehnten Oxidationszonen. Die Hauptphase der
Sekundärminerale, Jarosit, belegt diesen speziellen Wasserhaushalt der
untersuchten Kippen zusätzlich, da seine Bildung ortstreu erfolgen muss. Das
geschieht im Verlaufe von wenigen Jahren und schließt nennenswerte
Verfrachtungen in diesem Zeitraum aus. Aus den Analysen von neutralen und
sauren wässrigen Extrakten aus Kippenproben konnten die auf ein Porenvolumen
von 30% normierten Gehalte gegen die im Ausgangszustand vorhandenen Fe- und
S-Mengen sehr gut bilanziert werden. Die Jarosite sind in dem sehr sauren
Porenwasser stabil und fungieren als Speichermineral für ökotoxische Elemente
aus der „Korrosionslösung“. Für die Jarosit-bildung ist die Verfügbarkeit von
Kalium, das erst durch Folgereaktion mit Illit und Feldspäten freigesetzt
werden muss, und nicht die Kinetik der Oxidation des primär entstandenen Fe2+
bestimmend. Kalium ist auch nach Jahren noch für die Jarositbildung
limitierend. Die Charakterisierung der Jarosite hat die bestehenden
Schwierigkeiten der kristallchemischen Einordnung ihrer Gitterkonstanten
aufgedeckt. Aus einer generellen Betrachtung der Koordinationspolyeder in der
Kristallstrukturfamilie der Alunite, zu der auch die Jarosite gehören, konnte
die Metrik eindeutig auf den Chemismus zurückgeführt werden. Die
Zusammensetzung, Gitterkonstanten und auch Eigenschaften von Jarositen, die aus
einer vorgegebenen Lösung synthetisiert werden, sind von der Temperatur
abhängig. Die bislang gebräuchlichen Verfahren arbeiten allesamt bei erhöhter
Temperatur. Deshalb wurde eine neue Synthese bei Raumtemperatur, wie auf der Kippe,
entwickelt, bei der allerdings bei Vorlage des K das zweiwertige Eisen durch H2O2
oxidiert wird. So konnten Referenzproben hergestellt werden. Synthesen bei
höheren pH-Werten als etwa 3,0 führen zum Schwertmannit. Die neue Methode ist
auch für präparative Zwecke sehr geeignet. Mit einem Anstieg der pH-Werte in
der gefluteten Kippe wird in späterer Zukunft eine Hydrolyse erfolgen, wobei
der Verbleib der dabei zunächst freigesetzten ökotoxischen Elemente ungewiss
ist und zu einem ernsten Problem führen kann. Aus diesem Grunde sind auch
Techniken zur Hydrolyse von Jarositen erprobt und modifiziert worden, die bei
allen Temperaturen und unter Variationen mehrerer wichtiger Parameter
eingesetzt werden können. Die Kinetik der abiotischen Pyritoxidation konnte auf
der Kippe und in verschiedenen Experimenten unter aeroben und unter anaeroben
Bedingungen nur durch Fe3+ bestimmt werden. Die bestehenden
Ratengleichungen reichen aus, um die Kinetik auf der Kippe in ihrer
Größenordnung vorauszusagen, denn ausschlaggebend ist hauptsächlich die
Verfügbarkeit von Sauerstoff.
Abschließend wird ein Szenario der Flutung von Kippen
mit ihren Oxidationszonen vorgestellt, das leider wegen der fehlenden
Gefügeparameter gegenwärtig nicht modelliert werden kann. Es ist jedoch sicher,
dass nach der Flutung eine Dispersion der sauren, wasserlöslichen und
ökotoxischen Inventare über die ganze Kippe erfolgt und der pH-Wert danach
insgesamt noch unter 2,5 bleibt. Einer großräumigen Kontamination des
Grund-wassers kann man nur durch bisher unbekannte Verfahren vor der
Kippenflutung begegnen. Vorher ist jedoch ihre umfassende Erforschung zwingend
notwendig.
Anthropogenetic
and geogenetic influence on the regional hydrogeochemistry by lignite mining:
Mineralogical signature of the mixed sediments of the overburden at Cospuden
and Zwenkau
Abstract
Determination
of the mineralogical signatures of excavation residues as a task of this work
has demonstrated that the mineral phase inventory has changed characteristically
since the mixing and deposition of dead sediments. These changes are caused by
the oxidation of pyrite due to aeration. In the mixed sediments deposited, a
mean pyrite concentration of 3.6% was measured. This corresponds to 35 kg
pyrite per cubic meter of excavation residues. In the presence of air, an
oxidation zone is formed rapidly. It was discovered first by a depth-depending
mineral phase analysis of samples obtained by SGM drilling in the covered dump
of Cospuden. There, this zone is preserved together with water-soluble
inventories and reaches a thickness of several hundred meters in the area of
the former dump surface, which is now at a depth of about 20 m. Oxidation of
the pyrites that predominantly originate from dead sediments and partly from
lignite leads to the formation of water-soluble FeSO4 and sulfuric
acid (29 kg m-3). It drives the dissolution of a number of minerals
in the excavation residues and the formation of secondary phases. Surprisingly,
heulandite was detected for the first time by a grain size-dependent analysis
of samples of varying age. The source was identified to be grey sand of the
Böhlen layers, where heulandite occurs as a minor constituent.
Representativeness of the samples studied here for the situation on the dump in
terms of homogeneity was confirmed by the mixing quality. Heulandite which
originates from a single sediment was found in nearly all mixed sediment
samples. Formation of the oxidation zone was also pursued on the open dump in
Zwenkau by an age-depending analysis of samples from the surface and from a
depth of up to 2 m. In the ribs of the dump, which are up to 10 m high, pyrite
oxidizes over the entire depth down to 2 m in less than one year with sulfuric
acid being released. Subsequent reactions cause the formation of gypsum, an
important indicator of oxidation in practically all samples of mixed sediments,
as well as of amorphous silicic acid and jarosite as secondary minerals.
Jarosite, the formation of which was not expected on the dump due to a constant
percolating water formation assumed, may reach concentrations of up to 10%. The
oxidation zone in Zwenkau is estimated to extend down to a depth of five
meters, while the water-soluble inventories have remained at their former
locations. The fact that this immense acidification that has affected an area
of roundabout 6 x 107 m3 of a total of about 12 km2 in
Zwenkau alone and that is unequaled in Germany remained unnoticed may be
explained by the special water management of the dump. The deposition-caused
rib structure of the surfaces leads to fine-grained material being moved from
the flanks into the valleys during first precipitations already. As a result,
the ground is sealed. The running-off rainwater is dammed up and can evaporate
largely. In view of the relatively low precipitations in the region,
practically no percolating water is formed. Consequently, the immense amounts
of sulfuric acid as well as the water-soluble salts meanwhile generated by
subsequent reactions remain at their locations in the extended oxidation zones.
This special water management of the dumps investigated is additionally
confirmed by the main phase of secondary minerals, jarosite, as its formation
has to remain at a certain location. This happens in the course of a few years.
Hence, significant load movements can be excluded. Analyses of neutral and acid
aqueous extracts from dump samples allowed for a balancing of the contents
normalized to a pore volume of 30% against the Fe and S amounts existing in the
initial state. The jarosites are stable in the very acid pore water and act as
storage mineral for ecotoxic elements from the “corrosion solution”. Jarosite
formation is determined by the availability of potassium that is to be released
by a subsequent reaction with illite and feldspars rather than by the oxidation
kinetics of the primarily generated Fe2+. Even after years, jarosite formation
is still limited by potassium. Characterization of the jarosites has revealed
the existing difficulties in a crystal chemistry classification of their
lattice constants. Based on a general study of coordination polyhedrons in the
crystal structure family of alunites that also include the jarosites, metrics
were clearly reduced to the chemism. The composition, lattice constants, and
properties of jarosites synthesized from a solution to be given are dependent
on temperature. All methods used so far work at an increased temperature. For
this reason, a new method of synthesis at room temperature, as on the dump, was
developed. By this method, bivalent iron is oxidized by H2O2
in the presence of K. This allowed for the production of reference samples.
Synthesis at pH values in excess of about 3.0 led to the formation of
schwertmannite. This new method may also be considered very suited for preparative
purposes. With increasing pH values in the flooded dump, hydrolysis will take
place in the far future. The whereabouts of the initially released ecotoxic
elements will be uncertain and may cause serious problems. For this reason,
techniques for the hydrolysis of jarosites have been tested and modified, which
may be applied at any temperature and variable major parameters. The kinetics
of abiotic pyrite oxidation was determined on the dump and in various
experiments under aerobic and anaerobic conditions by Fe3+ only. The
rate equations available are sufficient to predict the order of the kinetics on
the dump, as it is mainly the availability of oxygen that is important.
Finally, a
scenario of the flooding of dumps with their oxidation zones will be presented.
Unfortunately, it cannot be modeled due to lacking structure parameters. There
is no doubt, however, that flooding will cause a dispersion of the acid,
water-soluble, and ecotoxic inventories over the entire dump, with the pH value
afterwards remaining below 2.5. A large-area contamination of the groundwater
may only be prevented by so far unknown measures to be taken prior to dump
flooding. However, these measures still remain to be studied extensively
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