Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6736

Physikalisch-chemische Charakterisierung von Kolloiden in Wasser/Reststoff-Systemen: Kolloidgetragene Schwermetallmobilisierung in Schlacken

Wolfgang Ferstl

Zusammenfassung
Im Rahmen dieser Arbeit wurde erstmals das geochemische Langzeitverhalten von Schlacken aus der Hausmüllverbrennung unter dem Aspekt der Mobilisierbarkeit von Kolloiden untersucht. Im Vordergrund stand die Bewertung einer kolloidalen Schadstoffmobilisierung sowie des Kolloidtransportes in aquatischen Systemen bei Kontakt mit der komplex aufgebauten Multikomponentenmatrix Schlacke.

Es wurden zwei unterschiedliche Ansätze zur Kolloidmobilisierung aus spezifikationsgemäß drei Monate abgelagerter Schlacke gewählt. Aus Batchversuchen wurde eine kritische Mobilisierungskonzentration an Calcium definiert, die bei etwa 0.55 mmol/l Calcium lag. Oberhalb dieser Werte fand keine Kolloidfreisetzung statt, unterhalb war eine drastische Zunahme an dispergierten Kolloiden in Abhängigkeit von der Elektrolytkonzentration zu erkennen. Bei Säulenversuchen konnten zwei Effekte für eine Kolloidmobilisierung verantwortlich gemacht werden: Zum einen wurde diese durch mäßig lösliche Calciumphasen in der Schlacke beeinflußt, die durch Erhöhung der Calciumkonzentration im Eluenten eine effektive Immobilisierung bewirken. Zum anderen konnten kolloidale Fragmente durch Auflösung von Siliziumphasen zusätzlich bei einer Elektrolyterniedrigung bereitgestellt werden. Für diesen Effekt wurden amorphe und pH-sensible Calciumsilikathydrate aus der Schlacke verantwortlich gemacht. Ergänzende Untersuchungen mit fünf Jahre alter Schlacke, die im Lysimeter gelagert wurde, lieferten erheblich geringere Mengen an mobilisierbaren Kolloiden.

Eine Charakterisierung der so erhaltenen Kolloide zeigte bei beiden Elutionsmethoden, daß die Kolloidmatrix im wesentlichen aus Phasen mit den kationischen Hauptbestandteilen Calcium, Silizium, Aluminium, Magnesium und Eisen aufgebaut ist. Es konnte gezeigt werden, daß nennenswerte Mengen an den für die umweltrelevanten Schwermetallen Kupfer, Blei, Zink und Chrom in der Kolloidmatrix eingebunden waren. Kristalline Phasen konnten den Kolloiden nicht eindeutig zugewiesen werden.

Weiterhin wurde dargestellt, daß es sich bei den Kolloiden um ein stark heterogenes Gemisch handelt. Vor allem im Säulenversuch besaßen sowohl zeit- als auch ortsaufgelöste Untersuchungen der Kolloide z.T. stark schwankende Elementzusammensetzungen bei ausgeprägt anisometrischen Partikelformen.

Es wurden mittels Sedimentations-Feld-Fluß-Fraktionierung und Ultrazentrifugation sphärische Äquivalentdurchmesser zwischen 3 und 1000 nm mit einem massengewichteten mittleren Durchmesser von etwa 200 nm festgestellt. Vor allem Kolloide mit sehr kleinen Durchmessern zwischen 3 und 30 nm stellten sich als instabil hinsichtlich ihrem Koagulationsverhalten heraus. Zeitlich aufgelöste Größenmessungen mittels Photonenkorrelationsspektroskopie und Laserinduzierter Breakdown-Detektion lieferten einen Anstieg des mittleren Durchmessers während der Elution.

Abschließende Untersuchungen der Schlacke als Transportmedium für Modellkolloide in Form von Polymerstandards brachten Aufschluß über die Transportreichweite der Partikel in Abhängigkeit von Elektrolytkonzentration und –wertigkeit, sowie vom effektiven Korndurchmesser der Schlacke. Die Ergebnisse wurden mit den Bedingungen verglichen, wie sie in aufbereiteter Schlacke zu finden sind. Demnach konnte unter gegebenen Versuchsbedingungen Transportreichweiten von nur wenigen Millimetern erreicht werden, bevor eine effektive Immobilisierung stattfindet.

Die erhaltenen Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß auch längerfristig nicht mit einem weitreichenden kolloidgetragenen Schwermetalltransport durch hydrophobe Kolloide zu rechnen ist.

PHYSICO-CHEMICAL CHARACTERIZATION OF COLLOIDS IN WATER/RESIDUE-SYSTEMS.

COLLOID FACILITATED HEAVY METAL MOBILIZATION IN BOTTOM ASHES

Abstract
Within the bounds of these investigations, the geochemical long-term behaviour of bottom ashes from a municipal solid waste incinerator were assessed with respect to the mobilization of colloids. Special emphasis was placed on considerations of colloidal contaminant release as well as the colloidal transport in slags.

Two different approaches for colloid mobilization from slags, stored for three month, were chosen. From batch experiments a critical mobilization concentration of about 0.55 mmol/l calcium was defined. Above this value, no colloid release occured, but below, a strong increase appeared with a strong dependence on the calcium concentration in solution. In column experiments, two effects were responsible for the colloid mobilization: On the one hand, due to the moderate solubility of the calcium phases in slags, a decrease of the effectivity of the colloid release was obtained with an increase of the calcium concentration of the solution. On the other hand, a dissolution of silicon phases occurred, so additional colloidal fragments were provided. For this effect amorphous and pH-sensitive calciumsilicatehydrate phases were hold to be responsible. Further investigations with bottom ashes, that were aged for five years in a lysimeter, showed much lower colloid concentrations in the effluent.

In both elution methods, a characterization of the received colloids yielded a composition with calcium, silicon, aluminium, magnesium and iron as major elements. It turned out that significant amounts of the ecologically undesirable heavy metals copper, lead, zinc and chromium were bound to the colloidal matrix. Crystalline phases could not be assigned to the colloids.

Furthermore it was shown, that colloids are strongly heterogeneous in composition. Especially column experiments yielded in both time and space resolved measurements considerable changes in element composition with strongly varying anisometric particle shapes.

By means of sedimentation-field-flow-fractionation and ultracentrifugation spherical equivalent diameters between 3 and 1000 nm and a mass average diameter of about 200 nm were calculated. Colloids with diameters between 3 and 30 nm proved to be unstable with respect to their coagulation behaviour. Time resolved measurements by means of photon correlation spectroscopy and laser induced breakdown detection brought an increase of the mean diameter during colloid mobilization.

Final investigations of bottom ashes as transport media for model colloids (that is, polymer standards) were performed to provide information about the travel distance of the particles dependent on the electrolyte concentration and valency of the cations in solution, as well as the effective grain diameter of the bottom ashes. The results were compared with conditions found in typical recycled slags. Under given experimental conditions only travel distances of few millimeters could be achieved, before effective immobilization took place.

The obtained results allow the conclusion, that no long-range colloid facilitated heavy metal transport may affect the environment.

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