Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6807
Ein vereinheitlichtes Modell für Vormischflammen als gasdynamische Diskontinuität
A. G. Class
Zusammenfassung
Im neu eingerichteten Sonderforschungsbereich 606
”Instationäre Verbrennung: Transportphänomene, Chemische Reaktionen, Technische
Systeme” der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum
Karlsruhe, der Universität Stuttgart sowie dem DLR Stuttgart sollen
fortschrittliche Verbrennungskonzepte, bei denen zeitabhängige Prozesse von
Bedeutung sind, besser verstanden und weiterentwickelt werden.
In diesen Konzepten wird zunehmend die
Vormischverbrennung eingesetzt. In dieser Habilitationsschrift werden Vormischflammen
zeitlich und räumlich aufgelöst betrachtet, so dass weder eine räumliche noch
eine zeitliche Mittelung der Vorgänge vorgenommen wird. In Experimenten zeigt
sich, dass Vormischflammen häufig dünn im Vergleich zu hydrodynamischen
Längenabmessungen sind. Sie können somit als eine gasdynamische Diskontinuität
aufgefasst werden, welche die Brenngase von den Rauchgasen mit geringerer
Dichte trennt. Darrieus (1938 und 1945) und Landau (1944) schlugen unabhängig
voneinander ein solches gasdynamisches Flammenmodell vor, wobei sie die
Eulergleichungen zur Beschreibung der reibungsfreien Strömung beiderseits der
Flamme heranzogen und einen Ansatz für die Flammenausbreitung formulierten. Sie
nahmen an, dass sich die Flamme mit einer konstanten Geschwindigkeit ausbreitet,
und schlussendlich forderten sie, dass die Strömungsgrössen beiderseits der
Flamme durch Sprungbedingungen miteinander gekoppelt seien, wobei die Erhaltung
von Masse und Impuls gewährleistet werden sollte. Später wurde von Markstein
(1951) ein Modell vorgeschlagen, bei dem sich Variationen der
Flammengeschwindigkeit aufgrund der Krümmung der Flamme ergeben. Im Gegensatz
zu den früheren heuristischen Ansätzen entwickelt Sivashinsky (1976) mittels
strenger asymptotischer Methoden eine Flammengeschwindigkeitsbeziehung, welche
gilt, sofern sich die Lewis-Zahl (Verhältnis von thermischer und
Massendiffusivität des limitierenden Spezies) hinreichend von Eins
unterscheidet. Die Sprungbedingungen im Markstein-, Sivashinsky- sowie im
Darrieus-Landau-Modell sind identisch. Schliesslich wurde von Matalon &
Matkowsky (1982) eine Flammengeschwindigkeitsbeziehung abgeleitet, die für
Lewis-Zahlen nahe Eins gilt, wobei sich eine Flammengeschwindigkeit ergibt,
welche proportional der Flammenstreckung ist. Zusätzlich konnten
Sprungbedingungen abgeleitet werden, welche unstetige Verläufe des Massen- und
Impulsstroms liefern, wobei die Sprünge dieser Grössen asymptotische
Korrekturen der postulierten Sprungbedingungen von Darrieus und Landau
darstellen.
In dieser Habilitationsschrift wird die Tensoralgebra
angewandt, um ein vereinheitlichtes Modell, bestehend aus einer neuen
Flammengeschwindigkeitsbeziehung sowie neuen Sprungbedingungen, abzuleiten.
Diese Flammengeschwindigkeitsbeziehung gilt für beliebige Lewis-Zahlen. In
geeigneten Grenzfällen ergeben sich die Beziehungen von Sivashinsky und
Matalon-Matkowsky. Ausserdem folgt aus der Flammengeschwindigkeitsbeziehung
eine neuer ausgezeichneter Grenzfall, der grössere Abweichungen der Lewis-Zahl
von Eins als die Matalon-Matkowsky-Theorie zulässt und somit eine Brücke zur
Theorie von Sivashinsky darstellt. Werden zusätzlich kurzwellige Deformationen
der Flamme berücksichtigt, so ergeben sich neue Terme, welche die Kommunikation
benachbarter Flammenelemente beschreiben. Diese Terme dämpfen kurzwellige
Störungen auf der Flammen- fläche, so dass die vereinheitlichte Theorie, im
Gegensatz zu den früheren Theorien, auch anwendbar ist, wenn die Flamme
kurzwellige zeitperiodische Instabilitäten aufweist.
Bemerkenswert ist, dass die
Flammengeschwindigkeitsbeziehung und die Sprungbedingungen von der genauen Lage
der Unstetigkeitsfläche abhängen. Als Gibbs (1879) das freie
Grenzflächenproblem zweier unmischbarer Flüssigkeiten betrachtete, machte er
eine analoge Beobachtung. In Abhängigkeit von der Wahl der Lage der Grenzfläche
muss dieser eine virtuelle Oberflächenmasse zugeordnet werden. Im Gegensatz zu
den früheren Arbeiten wird eine ausgezeichnete Lage der Unstetigkeitsfläche so
gewählt, dass die virtuelle Oberflächenmasse verschwindet. Hieraus ergeben sich
wesentlich einfachere Sprungbedingungen. So ist beispielsweise der Massenstrom
jetzt stetig an der Unstetigkeitsfläche. Bei numerischen Simulationen auf der
Grundlage des vereinheitlichten Modells muss im Verlauf einer Rechnung an der
Flammenfläche weder Masse hinzugefügt noch entnommen werden, wie dies im
Matalon-Matkowsky-Modell notwendig ist
A unified model for premixed flames as gasdynamic
discontinuities
Abstract
The recently established Sonderforschungsbereich 606:
”Nonstationary combustion: transport phenomena, chemical reactions, technical
systems” at the Universität Karlsruhe in cooperation with the Forschungszentrum
Karlsruhe, the Universität Stuttgart, and the DLR Stuttgart aims to improve the
fundamental understanding and to further develop advanced combustion concepts,
where time dependant processes are relevant. In these concepts premixed combustion is being
applied to an increasing extent.
In the
present habilitation thesis premixed flames are considered resolving their time
and space structures, thus omitting both space and time averaging. Experiments
show that premixed flames are frequently thin compared to the hydrodynamic
scales and may be viewed as a gasdynamic discontinuity separating the fresh
mixture from the lighter products. Darrieus (1938 und 1945) and Landau (1944)
independently proposed a model of a flame as a gasdynamic discontinuity, which
consists of the Euler equations for the inviscid flow on either side of the
flame and an ansatz for the flame propagation. In particular they assumed that
the flame propagates at a constant speed and that the flows on either side of
the flame are related to each other by jump conditions conserving mass and
momentum. Markstein (1951) proposed a model where variations of the flame speed
occur due to the curvature of the flame. In contrast to the previous heuristic
models Sivashinsky (1976) derived a flame speed relation applying strict
asymptotic methods. The model is applicable if the Lewis number (ratio of the
diffusivities of heat and limiting species mass) is bounded away from unity.
The jump conditions of the models by Markstein-, Sivashinsky- and
Darrieus-Landau are identical. Finally, Matalon & Matkowsky (1982) derived
a flame speed relation, valid for Lewis numbers close to unity, where flame
speed is a function of flame stretch. In addition jump conditions where
derived, which no longer conserve mass and momentum and which represent
perturbative corrections of the Darrieus-Landau jump conditions.
In this
habilitation thesis tensor algebra is applied to derive a unified model,
consisting of a new flame speed relation and new jump conditions, which is
applicable for arbitrary Lewis numbers. In appropriate limits the models of
Sivashinsky and Matalon-Matkowsky are recovered. Moreover a new distinguished
limit allows for larger Lewis number deviations from unity as compared to the
Matalon-Matkowsky theory thus bridging the Matalon-Matkowsky and the
Sivashinsky theory. Considering shortwave corrugations of the flame not
considered previously, results in new terms coupling neighboring flame
elements. These terms damp short wave perturbations of the flame surface, and
thus in contrast to previous theories the unified theory is applicable when the
flame is unstable with respect to shortwave pulsating instabilities. Remarkable
is the fact, that the flame speed relation and jump conditions depend on the
precise location of the discontinuity surface. When Gibbs (1879) studied the
free interface problem of two adjacent immiscible fluids, he made a similar
observation. Depending on the choice of the interface an excess surface mass
must be assigned to the interface. In contrast to previous theories the surface
is chosen to yield a vanishing excess surface mass. This results in
substantially simplified jump conditions. In numerical simulations using the
unified model, mass must not be added or subtracted from the flow as the
simulation progresses, which is required in the Matalon-Matkowsky model
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