Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6877

Struktur, Eigenschaften und quantitative Rietveldanalyse von hydrothermal kristallierten Calciumsilikathydraten (C-S-H-Phasen)

K. Garbev

Zusammenfassung
Kristalline C-S-H-Phasen kommen als natürliche Minerale relativ selten vor. Sie sind jedoch ein wichtiger Bestandteil dampfgehärteter Baustoffe. Sie entstehen auch in Zementsystemen, die sekundär höheren Temperaturen und Drücken ausgesetzt worden sind, z.B. bei der Befestigung von Tiefbohrungen oder der Nuklearabfallentsorgung.

In der vorliegenden Arbeit wurde die Synthese, die Kristallisation und die auftretenden Paragenesen technisch wichtiger, kristalliner Verbindungen im System CaO-SiO2-H2Ountersucht. Damit wird eine Grundlage für die systematische Entwicklung bzw. Verwertung von auf C-S-H-Phasen basierenden Baustoffen gelegt. Als neues analytisches Werkzeug wurde die quantitative Phasenanalyse mit der Rietveldmethode weiterentwickelt, die bisher kaum auf C-S-H-Phasen angewendet werden konnte, da systematische Arbeiten fehlten. Eine passende Verfeinerungsstrategie wurde erarbeitet, wobei mögliche Fehlerquellen und Besonderheiten ausführlich diskutiert werden. Die erfolgreiche Anwendung der Rietveldmethode setzt eine genaue Kenntnis der C-S-H-Strukturen voraus. Zu diesem Zweck wurde die Systematik der Phasen, die aus den Sechziger-Jahren stammt, kritisch überarbeitet und auf den neusten Stand gebracht. Dabei wurden die Minerale nach dem Polymerisationsgrad der Silikatanionen gruppiert.

Natürliche C-S-H-Phasen wurden als Modell für über lange Zeiträume kristallisierte, mutmaßlich im Gleichgewicht befindliche Systeme herangezogen. Unter anderem wurden kompliziert zusammengesetzte kristalline Proben aus Grönland („mixed layering“ von Reyerit und Gyrolith), aus Fuka (Japan, feine Verwachsung von Foshagit und Calcit) und aus dem Ural (14Å-, 11Å-Tobermorit, Clinotobermorit und Diopsid) analysiert. Dazu wurden vergleichende strukturelle Untersuchungen (XRD, DTA, IR-Spektroskopie, Mikrosondenanalyse) und zum Teil quantitative Phasenanalysen mit der Rietveldmethode durchgeführt.

Trotz unzähliger Arbeiten sind die Strukturen vieler Calciumsilikathydrate nach wie vor unbekannt. In dieser Arbeit wurden insbesondere 10Å-Tobermorit, Z-Phase, Xonotlit und Foshagit strukturell untersucht.

Aus der Sicht der Zementforschung sind besonders die Minerale der Tobermoritgruppe interessant. Viele aktuelle Arbeiten beschäftigen sich daher mit dieser Gruppe, die durch Variation der Zusammensetzung eine extreme Komplexität der Strukturvarianten zeigt. So ist z.B. die Struktur von 14Å-Tobermorit noch nicht vollständig gelöst. Eine weitere in der Literatur kaum bekannte Phase ist 10Å-Tobermorit. Wie die Untersuchungen ergaben, ist diese Phase im System CaO-SiO2-H2O für Calciumoxid-Siliziumdioxid-Verhältnisse (C/S-Verhältnisse) von 0.66-0.75 oder bei Karbonatisierung von Systemen mit einem höheren C/S-Verhältnis von 0.83-0.9 im Bereich von 180-200°C stabil. Eine Strukturverfeinerung gelang nicht. Allerdings wurden wesentliche Eigenschaften der Struktur geklärt. Auf Basis von TEM-Untersuchungen, Röntgenpulverdiffraktometrie und AFM-Untersuchungen wurde ein Vorschlag zur Raumgruppe und zur Polytypie abgeleitet. Anhand des Ramanspektrums wird angenommen, dass die Struktur des 10Å-Tobermorits aus Dreierdoppelketten besteht.

Die strukturellen Zusammenhänge der Minerale der Gyrolithgruppe wurden ausführlich untersucht. Das von Merlino vorgeschlagene Strukturmodell der Z-Phase wurde durch Rietveldanalyse bestätigt. Außerdem wurde das thermische Verhalten von Z-Phase und Gyrolith bestimmt. Ein strukturelles Modell der Entwässerung von Z-Phase und Gyrolith in K-Phase bzw. Truscottit wurde abgeleitet.

Die bereits von Hejny und Armbruster beschriebene Polytypie von Xonotlit wurde erneut untersucht. Die Strukturdaten von zwei weiteren Polytypen wurden berechnet. Auf Basis dieses erweiterten Strukturmodells gelang die Strukturverfeinerung einer natürlichen Probe aus Tamwatnei (Chukotka) mit der Rietveldmethode.

Auch die Struktur des Foshagits wurde auf Basis des von Gard und Taylor vorgeschlagenen Modells erneut bearbeitet. Im Unterschied zu Taylors Strukturvorschlag ergaben sich durch Rietveldverfeinerung ununterbrochene Schichten aus Calcium-Polyedern. Die gleiche Baugruppe ist auch in der Xonotlitstruktur vorhanden. Auf Basis des neuen Strukturvorschlags lässt sich die Umwandlung von Foshagit in Xonotlit durch Lösung von Ca-Atomen bei gleichzeitiger Kondensation der Dreiereinfachketten zu Dreierdoppelketten beschreiben. Das Modell wurde indirekt experimentell bestätigt.

Die Synthese von C-S-H-Phasen war eine wesentliche Voraussetzung zur Bearbeitung der strukturellen und phasenanalytischen Fragestellung. Um kristalline C-S-H-Phasen möglichst reproduzierbar zu synthetisieren ist ein homogener, standardisiert hergestellter Ausgangsstoff nötig. Zu diesem Zweck wurden C-S-H-Gele mit unterschiedlichen C/S-Verhältnissen von 0.5 bis 2.0 synthetisiert. Die Experimente wurden unter CO2-freien Bedingungen durchgeführt. Anschließend wurden die Gele durch hydrothermale Behandlung in den kristallinen Zustand überführt. Die Stabilitätsbereiche und die Paragenesen kristalliner C-S-H-Phasen wurden untersucht. Das von Taylor vorgestellte schematische Phasendiagramm des Systems wurde wesentlich verbessert und erweitert. Durch gezielte Karbonatisierung wurde der Einfluss von CO2 auf die Stabilität der C-S-H-Phasen und die Entstehung von C -C-S-H-Phasen (Scawtit) untersucht. Für Einkristalluntersuchungen wurden große Afwillitkristalle (80x30x30µm) gezüchtet.

Als weitere Annährung an reale Zementsysteme wurden quantitative Analysen an hydrothermal behandelten Klinkermineralen C3S und β-C2S durchgeführt. Dazu mussten diese zunächst synthetisiert werden. Die Klinkerminerale wurden bei Raumtemperatur hydratisiert und anschließend einer systematischen hydrothermalen Behandlung bei verschiedenen Temperaturen unterzogen. Die erzielten Paragenesen wurden in einem Diagramm dargestellt.

Abschließend wurde Zementstein (aus CEM II) bei 150o, 200o und 250oC hydrothermal behandelt. Bei 150°C und 200°C entsteht α-C2SH als kristalline C-S-H-Phase. Aluminium- und Eisenoxide werden in Hydrogranat (Katoit, Hibschit) umgewandelt. Katoit enthält einen hohen Anteil Silizium. Nebenbestandteile sind Larnit, Portlandit und Calcit bzw. Scawtit. Aus hydrothermal bei 250°C behandeltem Zementstein entstehen meist Reinhardbraunsit (Ca-Chondrodit), Klillalait und Hydrogrossular (Katoit, Hibschit). Die mit der Rietveldmethode durchgeführte quantitative Phasenanalyse stimmt sehr gut mit der chemischen Analyse des eingesetzten Zements überein. Die in dieser Arbeit zum ersten Mal realisierte quantitative Phasenanalyse von C-S-H-Phasen mit der Rietveldmethode ist also ein zuverlässiges Werkzeug zur Untersuchung von hydrothermalen Zementsystemen.

Technisch interessant ist die Entstehung von α-C2SH. Diese Phase wandelt sich bei relativ niedrigen Temperaturen (470-480°C) in eine β-C2S ähnliche Phase mit hohem Reaktionsvermögen um.

Zusammenfassend wurde in dieser Arbeit zum ersten Mal eine Brücke zwischen natürlichen und technischen C-S-H-Phasen geschlagen. Dazu wurden natürliche Calciumsilikathydrate, synthetische C-S-H-Phasen in reinen Systemen, hydratisierte und anschließend hydrothermal behandelte Klinkerminerale sowie hydrothermal behandelter Zementstein untersucht. Die gewonnenen Erkenntnisse zu Synthesebedingungen, Paragenesen, thermischem Verhalten und zum Einfluss der Karbonatisierung tragen insgesamt zu einem besseren Verständnis der komplizierte Zusammenhänge in Zementsystemen bei. 

Structure, properties and quantitative Rietveld analysis of Calciumsilicatehydrates (C-S-H-phases) crystallised under hydrothermal conditions

Abstract
Crystalline C-S-H-phases occur rarely as natural minerals. Nevertheless they are important constituents of steam-cured building materials. Crystalline calcium silicate hydrates are also typical for cement systems, which have been secondarily exposed to high temperatures and pressures, for example during stabilization of deep drillings of oil wells or during nuclear waste disposal.

The primary objective of this thesis was the study of the synthesis conditions, crystallization and the resultant parageneses of technically important, crystalline compounds in the system CaO-SiO2-H2O. Herewith we have set a foundation for the systematic development and/or recycling of building materials based on C-S-H-phases. For the first time the Rietveld method as an analytical tool was systematically applied to such materials. A suitable refinement strategy was developed, whereby possible sources of errors and specific problems were discussed. The successful application of the Rietveld method requires precise knowledge of the crystal structures of all C-S-H-phases. For this purpose, the structural systematics in the C-S-H system have been critically reviewed and updated. Additionally all C-S-H minerals have been sorted according the degree of polymerization of their silicate anion structure.

In this study both natural and synthetic calcium silicate hydrates were investigated. In the comparative structural study we have used such methods as XRD, DTA, IR and Raman spectroscopy, electron microprobe (EPMA), ESEM, TEM, AFM and quantitative phase analyses with the Rietveld method.

Among the natural C-S-H-phases studied here were complex multiphase samples from

Greenland („mixed layering“ of reyerite and gyrolite), Fuka (Japan, fine intergrowth of foshagite and calcite) and from the Urals (14Å-, 11Å-tobermorite, clinotobermorite und diopside).

Despite many investigations there are phases among the C-S-H-minerals whose structures are still poorly known or not well understood. In this study the structures of 10Å-tobermorite, Z-phase, xonotlite and foshagite have been in particular investigated further.

In cement chemistry the minerals of the tobermorite group play an important role. These phases show complex structural varieties as result of minor changes of their chemical composition (Ca and H2O content). An almost uninvestigated member of the tobermorite group of minerals is 10Å-tobermorite. This study show that this phase is stable in CaO-SiO2-H2O system at calcium oxide to silicon dioxide ratios (C/S-ratio) between 0.66-0.75. It may also be stabilized in systems with a higher C/S-ratio (0.83-0.9) over the temperature range 180-200°C as result of carbonation. Some important structural properties of 10Å-tobermorite have been revealed including space group proposal and possible polytypes based on XRD, TEM and AFM studies. The Raman spectrum of 10Å-tobermorite shows, that its structure most probably comprises of double silicate chains.

The structural relationship through refinement with the Rietveld method. Another proof was provided by studying the thermal behavior of the Z-phase upon heating in air. Additionally a mechanism of transition of the Z-phase to K-phase and of gyrolite to truscottite upon dehydration was derived.

The polytypes of xonotlite described from Hejny and Armbruster have been studied again. Structural data for two polytypes were calculated and further refined by the Rietveld method on a natural sample from Tamwatnei (Chukotka).

A new structural proposal for foshagite has been made based on Rietveld refinement of natural and synthetic samples. The basic difference between this model and the proposed model from Gard and Taylor is that the new structure suppose uninterrupted sheets of Ca polyhedra. Similar structural patterns have been observed in the structures of xonotlite and hillebrandite which occur often in paragenesis with foshagite. The new structural proposal helps to elucidate the mechanism of the transition of foshagite to xonotlite through dissolution of Ca-atoms and simultaneous condensation of the single silicate chains (Dreiereinfachketten) to double silicate chains (Dreierdoppelketten). between the minerals of the gyrolite group have been extensively studied in this work. The structural model for Z-phase proposed by Merlino was confirmed

The reproducible synthesis of C-S-H-phases was a very important premise for fulfilling the primary objective of this work. Initially C-S-H-gels with C/S-ratios varying between 0.5 and

2.0  were synthesized by mechanochemical treatment of CaO and SiO2 (Aerosil). All experiments were carried out under CO2-free conditions in a glove-box. The C-S-H-gels were subsequently treated hydrothermally at different temperatures, transforming them to the crystalline state. The stability ranges and the parageneses of the crystalline C-S-H-phases have been ascertained.

In order to examine the influence of CO2 on the stability of the C-S-H-phases, some samples were deliberately exposed to carbonating conditions and the formation of the C -C-S-H-phase (scawtite) was observed.

As a further approximation to real cement systems, quantitative analyses were carried out on the hydration products of the main clinker minerals C3Sand β-C2S.The clinker minerals were hydrated at room temperature and subsequently subjected to a systematic hydrothermal treatment at different temperatures. The parageneses obtained were represented in a phase diagram.

Finally, a hardened cement paste (from CEM II, DIN 1164) was treated hydrothermally at 150o, 200o and 250oC. At 150°C and 200°C, α-C2SH was obtained as a crystalline C-S-H phase, whilst aluminum and iron oxides were converted into Si-rich hydrogrossular (katoite). As result of carbonation, along with the main components already mentioned, calcite was found. Minor components were larnite, portlandite and scawtite. In the case of treatment at 250°C the product consisted mostly of reinhardbraunsite (Ca-chondrodite), klillalaite and hydro- grossular (katoite, hibschite). The results obtained from quantitative phase analyses by the Rietveld method matched the chemical analysis of the cement very well. Therefore, the quantitative phase analysis of C-S-H phases by the Rietveld method, implemented in this work for the first time, is a reliable tool for the investigation of hydrothermal cement systems.

Technically interesting is the occurrence of α-C2SH.This phase transforms upon dehydration in air at relatively low temperatures (470-480°C) into a phase similar to β-C2S, which has a high capability of hydraulic reaction.

To summarize, a parallel between natural and technical C-S-H phases was made in this work. For this purpose, natural calcium silicate hydrates, synthetic C-S-H phases in pure systems, hydrated and subsequently hydrothermally treated clinker minerals and hardened cement pastes have been examined. The results obtained regarding synthesis conditions, parageneses, thermal behavior and the influence of the carbonation contribute generally to a better understanding of the complicated phase relationships in cement systems.

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