Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6891

 

Entwicklung von Mikrostrukturreaktoren zum thermisch instationären Betrieb chemischer Reaktionen

 

Jürgen J. Brandner

 

Zusammenfassung

Für verschiedene verfahrenstechnische Prozesse wurden in der Literatur Leistungsverbesserungen durch periodische Änderung von einzelnen oder mehreren Prozessparametern vorausgesagt. Die Verbesserungen beruhen dabei auf Nichtlinearitäten innerhalb des Prozesses. Die Leistungssteigerungen treten üblicherweise bei kurzen Periodendauern auf, so daß für experimentelle Unter­suchungen Systeme mit geringer Trägheit und kurzen Totzeiten notwendig sind.

Die periodische Änderung der Prozesstemperatur zeigt insgesamt den stärksten Einfluß auf verfahrenstechnische Prozesse. Zusätzlich ist jedoch auch die Abhängigkeit der maximal möglichen Frequenz der Temperatur­modulation von der thermischen Trägheit des Reaktorsystems am deutlichsten ausgeprägt. Insbesondere die thermische Masse des Reaktorsystems ist hierbei zu berücksichtigen, jedoch müssen, je nach betrachtetem Prozess, auch andere Prozessparameter wie z.B. die Verweilzeit eines Reaktionsgemischs innerhalb des Reaktionsvolumens in die Überlegungen einfließen.

Die in den letzten Jahren vorangetriebenen Entwicklungen auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik sind integrale Voraussetzung für Apparate, deren ther­mische Massen gering sind und die daher möglicherweise zum thermisch instationären Betrieb chemischer und verfahrenstechnischer Prozesse genutzt werden können.

Hinzu kommen die neuartigen Möglichkeiten, die insbesondere Mikro­strukturapparate aus Metall bieten. Wie aus zahlreichen Veröffentlichungen bekannt, sind diese metallischen Mikro­struktur­apparate nicht nur äußerst robust gegenüber hohen Temperaturen und Drücken. Es ist darüber hinaus auch möglich, definiert poröse Trägerschichten für Kata­lysatoren in die metallischen Mikro­strukturapparate einzubringen.

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, mit Hilfe eines eigens konzipierten metal­lischen Mikro­struktur­apparates und einer speziell entworfenen Versuchsapparatur zu belegen, daß ein Fast Temperature Cycling (FTC) eines Mikrostrukturapparates mit Periodendauern im Sekunden- bis Subsekundenbereich möglich ist. Zudem sollte versucht werden, anhand einer einfachen, heterogen katalysierten Gas­phasenreaktion den qualitativen Nachweis für positive oder negative Auswirkungen des FTC auf verfahrenstechnische Prozesse zu erbringen.

Dazu wurden neuartige Mikrostrukturapparate für den thermisch instationären Betrieb bzw. FTC vorausberechnet, ausgelegt und gebaut. Sowohl beim Design als auch bei der Herstellung wurde besonders auf eine Kombination aus hoher Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Mikrostrukturapparate gegenüber hohen Temperaturen und hohen Drücken sowie gleichzeitig minimaler thermischer Masse geachtet. Zusätzlich mußte die Möglich­keit der Integration von Katalysatorträgerschichten gegeben sein.

Alle vorausberechneten Mikrostrukturapparate basieren auf einer kon­tinuierlichen elektrischen Beheizung und einer periodisch zuschaltbaren Kühlung durch ein flüssiges Wärmeübertragermedium. Für die vorliegende Arbeit wurde als Wärmeübertragermedium aufgrund der Möglichkeit einer Zusatzkühlung durch (partielles) Verdampfen de­ionisiertes Wasser verwendet.

Für eines der vorausberechneten Reaktordesigns wurde mit Hilfe einer CFD-Software (Computational Fluid Dynamics) das thermische Verhalten sowohl für den thermisch stationären als auch für den thermisch instationären Betrieb simuliert. Die Simulationsergebnisse konnten mit moderaten Abweichungen experimentell bestätigt werden.

Zum Betrieb der Mikrostrukturapparate wurde eine spezielle Versuchsanlage aufgebaut. Mit Komponenten der klassischen Verfahrenstechnik wurde eine Ver­suchsanlage realisiert, die gleichermaßen hohe Meßpräzision und Lang­zeit­stabilität gewährleistet. Für die integrierte Meß- und Regel­technik wurde eine neue Meß- und Steuersoftware entwickelt, die einen periodischen Betrieb der Versuchs­anlage mit einer maximalen Taktfrequenz von 1,6 Hz erlaubt. Es sind somit Messungen im Subsekundenbereich möglich.

Die speziell erarbeitete Software erlaubt sowohl eine direkte Vorauswahl der Teilperiodendauer während des thermisch instationären Betriebs als auch die Wahl je einer oberen und unteren Grenztemperatur, bei deren Erreichen der jeweils andere Teilzyklus des thermisch instationären Betriebs automatisch begonnen wird. Im Falle der Grenztemperaturvorgabe stellt sich automatisch ein un­gleich­mäßiger Split der Periodendauer in Aufheizteilzyklus und Abkühlteilzyklus ein, während im Falle der Vorgabe einer Teilperiodendauer die Länge von Aufheiz- und Abkühldauer unabhängig voneinander direkt gewählt werden können. Auf diese Weise ist sowohl eine Gleichverteilung als auch ein ungleichmäßiger Split der Periodendauer möglich.

Mit FTC‑Reaktoren konnte eine maximale mittlere Aufheiz- bzw. Abkühlrate von ca. 140 K · s‑1 erzielt werden. Hierbei traten an den Mikro­strukturapparaten „hot spots“ auf, die bei dauerhaftem Betrieb zur Zerstörung des Mikrostrukturapparates führen können. Ein sicherer, reproduzierbarer Dauerbetrieb mit konstanter Leistung war für periodische Temperatur­änderungen von 100 K innerhalb von etwa 2,1 Sekunden möglich. Dies entspricht einer mittleren Aufheiz- bzw. Abkühlrate von ca. 48 K · s‑1. Innerhalb der durch das Steuer­programm und die Versuchsanlage zum thermisch instationären Betrieb vor­gegebenen Sicherheitsgrenzen konnte eine maximale periodische Temperatur­änderung von ± 173 K erreicht werden. Verschiedene Mikro­struktur­apparate konnten insgesamt über mehrere hunderttausend Temperaturzyklen thermisch instationär betrieben werden, ohne daß Ver­änder­ungen am Temperaturverhalten oder den Massendurchsätzen der einzelnen Fluid­passagen meßbar waren.

Als Testreaktion wurde die Oxidation von CO zu CO2 an einem Platin-Katalysator ausgewählt. Um den Katalysator integrieren zu können, wurden mit Hilfe der Sol-Gel-Technik in vollständig gefertigte FTC‑Reaktoren poröse Al2O3-Trägerschichten eingebracht. Die Haftfestigkeit und Stabilität der Schichten gegenüber schnellen Temperaturwechseln konnte bestätigt werden. Der Kata­lysator wurde mittels Tränkimprägnation in den beschichteten Mikrostrukturapparat eingebracht. Zur Analyse der Reaktionsprodukte wurde ein FTIR-Spektrometer eingesetzt. Eine Deaktivierung des Katalysators konnte auch nach längerem Betrieb nicht festgestellt werden.

Es wurden verschiedene Experimente zum thermisch stationären, thermisch quasistationären und thermisch instationären Betrieb der Beispielreaktion aus­geführt. Dabei konnte gezeigt werden, daß der Reaktionsumsatz im thermisch instationären Betrieb innerhalb eines Temperaturbereichs von 50 °C bis 150 °C zwei- bis dreimal so hoch war wie im thermisch stationären bzw. thermisch quasi­stationären Betrieb.

 

Development of microstructure reactors for running reactions under thermal unsteady-state conditions

 

Abstract

 

From literature it is known that some chemical processes may benefit from periodic changes of one or more process parameters due to non-linear behaviour. Usually, the benefit can be obtained with reasonably short period times. Thus, experimental systems with reduced response times are necessary to examine the possible effects.

A periodic change of the process temperature is predicted to have the strongest influence to the process. The maximum frequency of the temperature modulation strongly depends on the thermal inertia of the reactor system. This inertia is dominated by the thermal mass of the reactor system. However, other parameters like the residence time of a reactand mixture may also have to be considered.

Recent developments in microstructure technology allow the design of microstructure devices with low thermal masses. These devices permit the thermally unsteady state (periodic) operation of chemical reactions.

Metallic microstructure devices are suitable for operation in wide ranges of temperature and pressure. Moreover, it is possible to integrate porous layers to increase the inner surface of the device and to apply catalyst coatings.

The objective of the present thesis was to show the possibility of a thermally unsteady state operation with period times down to the subsecond range by using a specifically designed microstructure device for Fast Temperature Cycling (FTC). For a simple heterogeneously catalysed gas phase reaction, the process performance was compared between steady state and FTC operation.

New microstructure devices for thermal unsteady state operation and FTC were designed and manufactured. The devices were designed to provide an optimum combination of resistance against high pressures and temperatures and minimized thermal masses. Catalytically active materials were integrated into a number of devices.

A special experimental setup was build for the FTC, using conventional hardware providing high measurement accuracy and reliability under harsh operating conditions. A new measurement and control software was developed. With this software, the experimental setup could be operated up to a FTC frequency of 1,6 Hz.

The software allows to either preset heating and cooling period times indepently, or to define upper and lower temperature boundaries for an automatic FTC processing. In the latter case, the heating and cooling period times will assume different values. All microstructure devices were designed to be continuously heated with high power resistor heating cartridges and to be periodically cooled by intermittent injection of a coolant liquid. In the work reported, deionised water was chosen as coolant in order to increase the cooling by (partial) evaporation. The thermal behaviour of the latest microstructure design was simulated by CFD methods for unsteady state processing. Agreement with experimental results was excellent.

A maximum mean heating / cooling rate of 140 K · s‑1 was reached in FTC reactors. Under these conditions, „hot spots“ occured inside the microstructure devices, and prolonged operation with these parameters can result in irreversible damage. A safe continuous operation with constant heating power can be achieved. Under these conditions, a periodic temperature change of 100 K over a partial period time of 2,1 seconds is obtainable, corresponding to a mean heating / cooling rate of approximately 48 K · s‑1. The safety limits defined in the measurement and control software allowed a maximum temperature difference of ±173 K. A number of FTC devices were operated for several hundred thousand temperature cycles. No significant changes in the thermal or fluidic behaviour could be observed.

As test reaction, the oxidation of CO to CO2 on a platinum catalyst was chosen. The catalyst was integrated into the FTC device by impregnating a porous alumina layer created by sol-gel technique. The stability of the catalyst layers under FTC conditions was demonstrated. FTIR spectrometry was used for online analytics. No deactivation of the catalyst could be observed even after prolonged use of the device.

With the test reaction, numerous experiments under steady state, quasi-steady state and unsteady state thermal conditions have been performed. Under FTC conditions in the temperature interval 50 °C to 150 °C, the reaction yield was enhanced by a factor of 2 to 3 compared to the yield under steady state or quasi-steady state conditions.

 

VOLLTEXT

 

BIBLIOTHEK