Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 6910
Bildung von Sekundärphasen bei der Korrosion von verglasten Nuklear-Abfällen
Petra Zimmer
Zusammenfassung
Ein Ziel dieser Arbeit war es, die Bildung sowie die
Langzeitstabilität von Sekundärphasen zu untersuchen, die sich während eines
aquatischen Angriffs aus simulierten, verglasten Nuklear-Abfällen bilden. Bei
den für die Untersuchungen verwendeten Gläsern wurden die Actiniden durch
Seltene Erden Elemente (als chemische Analoga), die restlichen Radionuklide
durch inaktive Isotope ersetzt. Die Identifizierung von während des
Glaskorrosionsprozesses gebildeten Sekundärphasen und die Kenntnis von deren
Stabilität ist für Aussagen über die Langzeitsicherheit eines Endlagers von
großer Bedeutung. In zwei endlagerrelevanten Salzlösungen (MgCl2-reich
bzw. NaCl-reich) als Korrosionsmedien stellen – nach 7,5 Jahren Korrosion –
Sulfate, Silikate und Molybdate die wichtigsten Mineralneubildungen dar. Es
wurde jedoch festgestellt, dass die Bildung, die Langzeitstabilität und die
Sorptionseigenschaften dieser Minerale gegenüber den Seltenen Erden (SE) stark
vom Korrosionsmedium sowie von der Entwicklung des geochemischen Milieus im
Laufe der Versuchsdauer abhängen. In beiden Medien wurden mittels der REM/EDX
Baryte unterschiedlicher Morphologie mit bis zu 15 Gew.-% Sr ((Ba,Sr)SO4)
als langzeitstabile radionuklidbindende (Sr) Mineralneubildungen identifiziert.
Weiterhin wurden in MgCl2-reicher Lösung reine SE-Sulfate
beobachtet. Die Bildung von SE-Sulfaten wurde in der Literatur bisher nicht
beschrieben. Die sekundären Silikat-und Molybdatbildungen auf den untersuchten
Glasoberflächen unterscheiden sich in den beiden Salzlösungen stark in ihrem
Sorptionsverhalten gegenüber den Lanthaniden und bezüglich ihrer Stabilität.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit lag darin, das
Verständnis der Reaktionsmechanismen der Glaskorrosion bei Anwesenheit von
metallischem Eisen zu vertiefen. Stahl spielt als umhüllendes Material des
Glaskörpers im Endlager eine bedeutende Rolle (technische Barriere). Der
Einfluss des metallischen Eisens auf die Lösungsmechanismen des Glases ist
wiederum stark vom Korrosionsmedium und dem daraus resultierenden geochemischen
Milieu abhängig. Die Glaskorrosion in geschlossenen Systemen wird u.a.
kontrolliert von der in Lösung befindlichen freien, undissoziierten
Kieselsäure. Es wurde festgestellt, dass Eisen bzw. dessen Korrosionsprodukte
in bei
den Lösungen (Wasser, MgCl2-reiche Salzlösung)
Einfluss auf die Konzentration der freien Kieselsäure in Lösung nehmen. Dadurch
kann die Sättigungskonzentration von Kieselsäure erst nach größerem Glasumsatz
erreicht werden, wodurch sich höhere Elementkonzentrationen in den
Korrosionsmedien ergaben. Der Einfluss des Eisens auf die Elementfreisetzung in
Wasser ist im Vergleich zu dem in MgCl2-reicher Salzlösung
vergleichsweise gering. Weiterhin wurde in der Salzlösung eine katalytische
Wirkung des Eisens auf die Bildung von sekundären Molybdaten beobachtet, d.h.
bei Anwesenheit von Eisen wurden diese Phasen sehr viel früher als in den
Versuchen ohne Eisenzugabe beobachtet. Dies bedeutet, dass bei Anwesenheit von
Eisen bzw. seiner Korrosionsprodukte die Immobilisierung von aus dem Glas
gelösten SE beschleunigt wird.
Einen weiteren wichtigen Punkt im Zusammenhang mit
der Mobilisierung bzw. Immobilisierung von aus dem Glas freigesetzten
Radionukliden stellt der kolloidgetragene Transport von Radionukliden aus dem
Nahfeld eines Endlagers dar. Das Abfallglas selbst kann aufgrund seiner
Elementfreisetzung während eines Lösungsangriffes eine Quelle für eine
Kolloidgeneration sein. Durch Sorption von Radionukliden an solche Kolloide und
anschließenden Transport könnte somit eine Migration dieser Spezies aus dem
Nahfeld eines Endlagers erfolgen. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten
Kolloidbildungsexperimente unter Verwendung chemisch einfach zusammengesetzter
Modellgläser zeigen, dass neben den erwarteten Alumosilikat-Kolloiden auch
Ca-rei-che und Ti-reiche Kolloide mit Partikelgrößen zwischen 100 und 300 nm
gebildet wurden. Unter Berücksichtigung der sehr komplizierten
Zusammensetzungen von verglasten Nuklear-Abfällen wären eine Vielzahl weiterer
Kolloidzusammensetzungen denkbar, auch die Eigenkolloidbildung (Aggregation von
hydrolisierten Ionen durch Ausbildung von Oxo-oder Hydroxobrücken) von
Actiniden und anderen Spaltprodukten.
Formation
of secondary phases during the corrosion of vitrified nuclear waste
Abstract
The
first aim of this work was the examination of the formation and long-term
stability of secondary phases that form during an aquatic attack on simulated,
vitrified nuclear waste. In the glasses used for the investigations actinides
had been replaced by rare earth elements (chemical analogues), other
radionuclides by inactive isotopes. For predictions about the long-term safety
of nuclear waste disposals it is important to identify secondary phases that
have formed during the glass corrosion process and to determine their
stability. Two different saline solutions (rich in MgCl2 and in
NaCl, respectively) are relevant as a corrosion medium for waste disposals. It
showed that in such an environment sulfates, silicates and molybdates represent
the main new formations of minerals after 7.5 years of corrosion. However, the
formation, long-term stability and sorption characteristics of those minerals
regarding rare earth elements depend to a high degree on the corrosion medium
as well as on changes in the geochemical environment in the course of the
experiment. By means of SEM/EDX barytes of different morphology with up to 15%
w/w Sr ((Ba,Sr)SO4) were identified in both corrosion media; they
were capable of binding long-term stable radionuclides like Sr. Furthermore,
pure rare earth (RE) sulfates were observed in the saline solution rich in MgCl2.
This formation of RE-sulfates has not been described in the literature so far.
Depending on the saline solution, the secondary silicate and molybdate minerals
that formed on the glass surfaces differed noticeably in their sorption
characteristics and their stability.
Another
focus of the work was a more profound understanding of the glass corrosion
mechanism in the presence of metallic iron since steel jackets are used as
technical barriers for the vitrified nuclear waste in nuclear waste disposals.
The influence of metallic iron on the dissolution mechanism of glass also
depends on the corrosion medium and the resulting geochemical environment. The
corrosion of glass in a closed system depends among other things on the amount
of free, undissociated silicic acid. It could be shown that iron and its
corrosion products had an influence on the concentration of free silicic acid
in both water and saline solution rich in MgCl2. As a result the
saturation concentration of silicic acid was not reached until a higher amount
of glass had dissolved, leading to a higher element concentration in the
corrosion media. This influence was more noticeable in saline solution rich in
MgCl2 than in water. Furthermore, a catalytic effect of the iron on
the formation of secondary molybdates was found in the saline solution; these
phases had been observed much earlier compared to experiments without addition
of any iron. This means that RE elements are immobilized faster if iron or
corrosion products thereof are present.
Another
important point in connection with the mobilization and immobilization of
radionuclides released during glass corrosion is their colloidal migration out
of the vicinity of a nuclear waste disposal; the waste glass itself can be a
source for colloid generation due to the release of elements during an aquatic
attack. By sorption of such radionuclides to colloids a migration over larger
distances is possible. The experiments on colloid generation using chemically
simple model glasses showed that apart from the expected aluminosilicate
colloids also other colloids rich in Ca and Ti with sizes from 100 to 300 nm
had been formed. Considering the very complex composition of vitrified nuclear
waste a multitude of other colloid compositions is possible, as well as the
formation of eigencolloids (“real colloids”, aggregation of hydrolyzed ions
through oxo or hydroxyl bridge formation) by actinides and other fission
products.
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