Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 7004
Entwicklung einer realitätsnahen Kraftrückkopplung bei fluidisch betriebenen Handprothesen
Séverine Mounier
Zusammenfassung
Es gibt bisher noch keine Kraftrückkopplung für
Handprothesen, sondern lediglich bei Telemanipulatoren. Die Grundidee der
Entwicklung und Realisierung einer realitätsnahen Kraftrückkopplung für
Handprothesenträger besteht darin, dass der Prothesenträger am Arm spüren kann,
mit welcher Kraft seine Handprothese einen Gegenstand greift. Das System muss
dem Prothesenträger helfen, die Bewegungen der Prothese besser zu steuern und
den permanenten Blickkontakt beim Greifen zu verringern. Damit soll die
Akzeptanz der Prothesen erhöht werden.
Ein Kraftrückkopplungssystem für Handprothesen
besteht aus den Modulen Greifkraftbestimmung, Datenverarbeitung und
nichtinvasive Reizerzeugung am Patienten.
Aus der Vielzahl der Ansätze zur Reizerzeugung der
Haut wird die vibrotaktile Stimulation als vielversprechende Technologie
identifiziert.
Aus verschiedenen Aktorprinzipien zur vibrotaktilen
Stimulation wird unter Berücksichtigung der konstruktiven Randbedingungen, der
Wünsche der Patienten und der physiologischen Aspekte das Prinzip der
Vibrationsmotoren als am besten geeignet bestimmt.
Für die gewählte Integrationsvariante des Aktors in
den Prothesenschaft wird eine mathematische Modellierung des Systems bestehend
aus Prothesenschaft, Aktor mit Lateralbefestigungen und Haut vorgestellt. Weil
wesentliche Einflussgrößen wie die Kippbewegung berücksichtigt sind, beschreibt
das Modell das Verhalten des realen Systems gut.
Weil sich das Nervensystem an kontinuierliches Signal
schnell gewöhnt, ist eine sprungförmige Stimulation besser geeignet. Erstmalig
werden Messungen der Hautempfindlichkeit nach dem Frequenzunterschiedverfahren
mit einem portablen Aktor vorgestellt. Gemessen wird die Fähigkeit des
Probanden, Frequenzunterschiede und deren Vorzeichen wahrzunehmen. Bei der
Auswertung der Messungen werden das Alter und das Geschlecht der Probanden
berücksichtigt, wobei beide Aspekte keinen wesentlichen Einfluss auf die
Hautempfindlichkeit haben. Basierend auf diesen Messungen wird der Zusammenhang
zwischen einer Änderung der Greifkraft und einer Änderung des Reizes bestimmt.
Die Erkenntnisse über die Hautempfindlichkeit führen zu einer Steuerung der
Kraftrückkopplung, die nicht an den Patienten angepasst werden muss.
Erstmalig werden diese Messungen der
Hautempfindlichkeit auch bei Patienten, die mit einer Handprothese versorgt
sind, durchgeführt. Es werden dabei höhere Empfindlichkeiten als bei den
Probanden ohne Handverlust gemessen.
Der realisierte Prototyp eines
Kraftrückkopplungssystems besteht aus einem Kraftsensor, einem Steuerungsmodul
und einem Aktormodul. Das Steuerungsmodul berechnet aus dem Verlauf der
Greifkraft den Verlauf der Frequenz, mit der die Haut des Patienten gereizt
wird. Das Aktormodul erzeugt die vom Steuerungsmodul vorgegebene vibrotaktile
Stimulation.
Der realisierte Prototyp wurde an Patienten erprobt,
die mit einer Handprothese versorgt sind. Die Patienten äußerten sich positiv
und sind von einer potenziellen Hilfe der Kraftrückkopplung bei täglicher
Benutzung überzeugt.
Development
of a force feedback system for prosthetic hands
Abstract
So
far, force feedback systems have only been used in telemanipulation systems and
not for prosthetic hands. The basic idea in the development and realization of
a force feedback system for prosthetic hands is to give a feedback signal to
the patient’s arm. The signal depends on the gripping force of the prosthetic
hand. The system has to improve the patient’s control of the prosthesis and has
to reduce permanent visual control during gripping. These benefits can increase
the acceptance of prosthetic hands.
A force feedback system for prosthetic
hands consists of the following modules: Grip force determination, data
processing and non-invasive stimulation. Vibrotactile skin stimulation is
identified from numerous approaches as a promising technology.
From a number of actuator principles for
vibrotactile stimulation, vibration motors are determined to be the most
suitable for the given application. Criteria taken into consideration are size,
the patients’ desires and physiological aspects. A mathematical model is
presented for the chosen integration method. It includes the prosthetic shaft,
the laterally mounted actuator, and the skin. All major components are
considered including the tilting motion resulting in a good description of the
system behavior.
Stimulation in discrete steps is
preferred as the nervous system accommodates rather quickly to continuous
signals. For the first time, skin sensitivity is measured using a method of
frequency differences and a portable actuator. The method is used to determine
the test person’s abilities to perceive frequency differences and their sign.
The evaluation also considers the age and gender of the test person. It was
found that none of the two factors contributes signifi- cantly to the skin
sensitivity. Based on these measurements, a relation between the gripping force
and the stimulation differences was determined. The understanding of the skin
sensitivity leads to a force feedback control method that doesn’t require a
special fitting to the patient.
Skin sensitivity tests were also
performed on patients with a prosthetic hand. Higher sensitivities were
observed in comparison to healthy test persons. The realized prototype of a
force feedback system consists of a force sensor, a control module and an
actuator module. The control module computes the skin stimulation frequency
from the force signal. The actuator module then generates the determined
vibrotactile stimulation.
The realized prototype was tested on a
number of patients with prosthetic hands. Positive comments were given
regarding the potential aid of a force feedback system in daily use.
VOLLTEXT
BIBLIOTHEK