Forschungszentrum
Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte – FZKA 7012
Die klumpfuss-Mutante
P(9036) und hugin : Neuroanatomische Analyse einer am
Fressverhalten beteiligten Population von Neuronen im Zentralnervensystem von Drosophila melanogaster
Christoph Melcher
Zusammenfassung
Das Zentralnervensystem
(ZNS) von Drosophila melanogaster, dessen Rolle als übergeordnete Schaltstelle
in der Regulation elementarer Vorgänge wie Nahrungsaufnahme, Wachstum und
Entwicklung unbestritten ist, war bisher experimentell mehr oder weniger
unzugänglich. Klassische neuroanatomische Experimente, wie sie von V. Dethier,
V. Wigglesworth und anderen zur Regulation der Nahrungsaufnahme an
Modellorganismen wie Calliphora erythrocephala oder Rhodnius proxilus
durchgeführt worden waren, erwiesen sich im genetischen und molekularbiologischen
Modellorganismus Drosophila melanogaster als technisch nicht realisierbar.
Im Kontext der Regulation von
Nahrungsaufnahme, Wachstum und Entwicklung konnte in vorliegender Arbeit durch
die Analyse der P(9036)-Linie dennoch ein Zugang zum Zentralnervensystem von
Drosophila melanogaster geschaffen werden. Diese Mutante, die neben der
P(6913)- pumpless-Mutanten und der P(9373)-Linie in einem
P-Element-Mutagenesescreen auf Defekte in der Nahrungsaufnahme isoliert wurde,
zeigt im ersten Larvalstadium einen Stopp der Nahrungsaufnahme und des Wachstums.
Parallel dazu ist bei P(9036)-Mutanten ein Wanderverhalten zu beobachten,
welches Wildtyp-Larven im 3. Instar kurz vor der Verpuppung zeigen. Auf
molekularer Ebene konnte als Folge der P(9036)-Mutation ein Verlust des Neuroblasten-spezifischen
Zinkfinger-Transkriptionsfaktors klumpfuss ( klu) nachgewiesen werden, der
wildtypisch eine wichtige Rolle bei der Differenzierung der Identität von
sekundären Vorläuferzellen innerhalb einer Neuroblasten-Linie spielt.
Bei der auf DNA-Microarrays und
confokaler Fluoreszenz-Mikroskopie basierten Suche nach neuroanatomischen und
physiologischen Defekten, welche den beschriebenen Phänotypen zugrunde liegen
mögen, konnten generelle Einblicke in die Rolle des Drosophila-ZNS bei der Regulation
der Nahrungsaufnahme erarbeitet werden. So konnte mit hugin ein bisher
funktionell uncharakterisiertes Neuropeptid-Gen identifiziert werden, das
sowohl wildtypisch in Abhängigkeit von Nahrungssignalen reguliert wird, als
auch in den Fressmutanten P(9036) und P(6913) dereguliert ist.
Als Expressionsdomäne von hugin
konnten exklusiv Neuronen im suboesophagialen Ganglion, einer bekanntermaßen an
der Nahrungsaufnahme beteiligten Gehirnregion, aufgezeigt werden.
Neuroanatomische Analyse der Konnektivität dieser hugin-Neuronen ergab die
Ringdrüse (als wichtigstes neuroendokrines Organ der Larve), Muskulatur der
Mundwerkzeuge (im cephalopharyngealen Komplex der Larve) sowie die Pilzkörper
(als Hauptintegrationsstelle von olfaktorischen und gustatorischen Signalen)
als hugin-Projektionsziele. Geschmackssensillen im antennomaxillären Komplex
konnten als afferente, den hugin-Neuronen potenziell vorgeschaltete Sinnesorgane
identifiziert werden, außerdem konnte eine Regulation der hugin-Expression in
Abhängigkeit von sensorischem Input aufgezeigt werden.
Neben dieser detaillierten
neuroanatomischen Charakterisierung der hugin-Neuronen wird eine modulatorische
Rolle von hugin bei der Regulation der Nahrungsaufnahme von Drosophila
melanogaster vorgeschlagen und vor dem Hintergrund der Fressmutanten P(9036)
diskutiert.
Abstract
Feeding
as a fundamental activity of all animals can be regulated by internal energy status
or external sensory signals. We have characterized a zinc finger transcription factor,
klumpfuss ( klu),
which is required for food intake in Drosophila. As first instar
larvae klu mutants stop feeding and display a
wandering behavior reminiscent of third instar wildtype larvae prior to pupariation. Microarray analysis
of klu mutants indicates that the expression level of
the neuropeptide gene hugin
( hug) is altered in klu
mutants and that hug itself is regulated by food signals. Neuroanatomical
analysis demonstrates that hug neurons project axons to pharyngeal muscles, to
the ring gland and to the mushroom body region, whereas hug dendrites are
innervated by external gustatory receptor neurons as well as by internal
pharyngeal chemosensory organs. Use of tetatus toxin
to block synaptic transmission in the hug neurons resulted in specific
alterations in the initiation of food intake (1). Our results provide evidence
that hug neurons function as interneurons which
modulate taste mediated feeding behavior in
Drosophila. Ongoing analysis of hug mediated gustatory signalling circuits by
calcium imaging and related optical methods should increase our understanding
of how taste sensory input is modulating feeding behavior.
(1) Melcher,
C. & Pankratz, M.J. (under review, Cell)
Connectivity map of candidate gustatory interneurons
modulating feeding behavioral response in the
Drosophila brain.
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