Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte – FZKA 7107

Neue Schichtkonzepte zur Abscheidung von kubischem Bornitrid

Konrad Sell

Zusammenfassung
Kubischem Bornitrid (c-BN) gilt aufgrund seiner hervorragenden physikalischen sowie chemischen Eigenschaften und der sich daraus ergebenden Anwendungsmöglichkeiten ein großes Interesse. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wird jedoch ein technologischer Einsatz von Schichten aus c-BN durch die hohen Druckeigenspannungen sowie die geringen Haftfestigkeiten verhindert, da die Schichten bereits bei Dicken von unter 300 nm durch ein Ablösen vom Substrat versagen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Entwicklung von Schichtkonzepten zur Senkung der Druckeigenspannungen sowie zur Verbesserung der Haftfestigkeit bei der Abscheidung von c-BN.

Als Abscheideverfahren wurde die Hochfrequenz-Magnetronzerstäubung angewendet, da dieses Verfahren industriell gebräuchlich ist und eine breite Variation von Parametern zulässt. Der für die Bildung von Schichten aus kubischem Bornitrid notwendige intensive Ionenbeschuss wurde durch das Anlegen einer Substratvorspannung (Hochfrequenz- oder Gleichspannungs-Modus) erzeugt. Die Abscheidung erfolgte nichtreaktiv im reinen Argon-Plasma sowie reaktiv in reiner Stickstoff- und gemischter Argon-Stickstoff-Atmosphäre bei Arbeitsgasdrücken zwischen 0,08 und 0,5 Pa. Als Substratmaterial wurde (100)-orientiertes einkristallines Silizium und Hartmetall (P35-Qualität nach ISO 513) eingesetzt.

Die Kinetik der Abscheidevorgänge wurde mittels der anlagenunabhängigen Parameter Ionenenergie, Fluss der schichtbildenden Teilchen, Fluss der Ionen und Substrattemperatur beschrieben. Dadurch wird eine direkte Übertragung der erarbeiteten Konzepte vom Labormaßstab auf größere Anlagen oder auf andere Abscheideverfahren ermöglicht.

In Abhängigkeit von der Substratvorspannung wurden die Phasenzusammensetzung mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie, die Eigenspannungen über die Durchbiegung von beschichteten Silizium-Balken und die Dichte über Röntgenreflektivitätsmessungen bestimmt. Der Einfluss der Ionenenergie auf den c-BN-Gehalt, die Eigenspannungen und die Dichte kann mit Hilfe der im Subplantationsmodell beschriebenen Vorgänge unter der Berücksichtigung der Phasenumwandlung von sp2-gebundenem Bornitrid in die sp3-gebundene kubische Phase erklärt werden.

Unter optimierten Abscheidebedingungen konnten nahezu phasenreine Schichten aus kubischem Bornitrid hergestellt werden, deren über FTIR-Messungen bestimmter c-BNGehalt bei etwa 85 % liegt. Die wesentliche Ursache für die Signale sp2-konfigurierter Bindungen ist die Nukleationszone am Übergang zwischen Substrat und Schicht. Die Bornitrid-Schichten mit maximalem c-BN-Gehalt zeigen hohe Druckeigenspannungen bis zu -29 GPa. Der Nachweis der kubischen Phase erfolgte neben den FTIR-Messungen durch Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS), Röntgendiffraktometrie sowie durch TEM-Untersuchungen.

Zur Verringerung des über den Ionenbeschuss in die Schicht eingebrachten Energiebetrages wurde ein zweistufiger Beschichtungsprozess angewendet. Im ersten Schritt erfolgte dabei die Nukleation von c-BN bei der Ionenenergie, die bei einer einstufigen Prozessführung Schichten mit maximalem c-BN-Gehalt entstehen lässt. Die zweite Lage wurde bei einer verringerten Ionenenergie abgeschieden. Es zeigte sich, dass auch bei niedrigeren Ionenenergien, die bei einer einstufigen Abscheidung nur h-BN entstehen lassen, eine Fortsetzung des c-BN-Wachstums möglich ist. Dazu muss die Nukleation zuvor vollständig abgeschlossen sein. Durch die Anwendung der optimierten Nukleations- und Wachstumsbedingungen zur Abscheidung von c-BN konnte über die Senkung der Ionenenergie während der Wachstumsphase eine Verringerung der Eigenspannungen um 30 % bei gleichbleibend hohem c-BNGehalt erreicht werden.

Das Phänomen, dass kubisches Bornitrid nach der Nukleation auch unter reduziertem Ionenbeschuss weiter gebildet werden kann und dabei geringere Eigenspannungen entstehen, konnte erstmals über ein qualitatives Modell erklärt werden, das eine Erweiterung des herkömmlichen Subplantationsmodells darstellt. Die EELS-Untersuchungen zeigten, dass Schichten aus c-BN eine bis zu 3 Monolagen dicke Oberflächenlage mit einem sp2-koordinierten Bindungszustand aufweisen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Subplantationsmodell, das die Phasenbildung von c-BN durch eine Verdichtung unterhalb der Oberfläche beschreibt.

Durch die Anwendung einer verhältnismäßig hohen Ionenenergie nahe der Grenze zum vollständigen Rückzerstäuben konnten Bornitrid-Schichten hergestellt werden, die ein vorteilhaftes, d. h. großes Verhältnis von c-BN-Gehalt zu Eigenspannungen aufweisen und deren Eigenspannungen durch eine zusätzliche thermische Nachbehandlung sehr effektiv gesenkt werden können. So zeigen diese Schichten nach einer Temperaturnachbehandlung um den Faktor 10 geringere Eigenspannungen bei gleichzeitig lediglich 18 % weniger c-BNGehalt als die Schichten mit maximalem Gehalt an kubischer Phase.

Eine Erhöhung der Haftfestigkeit von Schichten aus kubischem Bornitrid wurde durch die Umsetzung des Schichtkonzeptes eines Gradienten in der chemischen Zusammensetzung von borreichem zu stöchiometrischem Bornitrid am Übergang zwischen Substrat und Schicht erreicht. Dabei überschritt die Haftfestigkeit den Wert der Scherfestigkeit des Silizium-Substrates. Die Verwendung einer hinsichtlich kritischer Last des Versagens optimierten Titandiborid-Schicht führte ebenfalls zu einer Steigerung der Haftfestigkeit. Das für die Abscheidung von gut haftenden DLC-Schichten entwickelte Schichtkonzept einer stufenweisen Erhöhung der Ionenenergie während der Abscheidung konnte nicht erfolgreich für die Herstellung von c-BN-Schichten angewendet werden, da im Gegensatz zu amorphen Kohlenstoff-Schichten bei der Abscheidung von c-BN Bedingungen vorliegen müssen, die eine Keimbildung sowie ein darauffolgendes kontinuierliches Wachstum der kristallinen Phase ermöglichen.

Es wurde ein Schichtkonzept entwickelt, mit dem ein Durchbruch bei der Abscheidung von dicken haftfesten c-BN-Schichten gelang. Das Konzept basiert auf der Kombination von einer gezielten Zugabe von Sauerstoff zur Senkung der Eigenspannungen mit Maßnahmen zur Steigerung der Haftfestigkeit durch eine nanogradierte borreiche Haftvermittlerschicht und eine Nukleationsschicht, die einen Gradienten in ihrer chemischen Zusammensetzung enthält. Über dieses Schichtkonzept konnten Schichten aus kubischem Bornitrid mit Dicken von bis zu 2 μm hergestellt werden. Das entwickelte Schichtkonzept kann mit allen gängigen PVD- und plasmagestützten CVD-Verfahren realisiert werden und ist in seinem Potential zur Übertragung auf industrielle Beschichtungsprozesse einzigartig.

Unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung industrie-tauglicher Beschichtungstechnologie konnten c-BN-Schichten erfolgreich mittels einer DC-Substratvorspannung bei einer Substrattemperatur von 350 °C hergestellt werden. Der Gleichspannungsmodus bietet im Gegensatz zum Hochfrequenzbetrieb die Vorteile der von der Bestückung unabhängigen Plasmabedingungen sowie einer kostengünstigeren Umsetzung. Die außergewöhnlich niedrige Substrattemperatur erweitert das Spektrum der verwendbaren Substratmaterialien und führt zu geringeren Prozesszeiten durch kürzere Aufheiz- und Abkühlphasen.

Auf der Grundlage von den Ergebnissen dieser Arbeit und Literaturdaten wurde das Prozessfenster für die Abscheidung von c-BN über Magnetronzerstäubung und die erste „Eigenspannungslandkarte“ für Bornitrid-Schichten in Abhängigkeit von Ionenenergie und Verhältnis aus Ionenfluss und Fluss der schichtbildenden Teilchen erarbeitet.

Novel coating concepts for the deposition of cubic boron nitride

Abstract
Boron nitride in the cubic zinc-blende structure (c-BN) has been well known since 1950s for its outstanding physical and chemical properties, such as the second highest hardness and thermal conductivity next to diamond, widest bandgap within III-V semiconductors, chemical inertness against ferrous alloys, and so forth. Such superior characteristics, in particular with respect to their potential applications in modern coating technologies, have invoked considerable interest in the growth of c-BN films by means of various physical vapor deposition (PVD) and plasma-enhanced chemical vapor deposition (PECVD) techniques. Despite intensive investigations carried out in the past two decades, however, practical industrial applications of c-BN films are nowadays still not successfully achieved. The primary difficulty stems from the high compressive stress and poor adhesion of deposited films, which usually lead the films with a moderate thickness of only 300 nm or even below to flake from their substrates. The present study is thus devoted to the development of novel processing concepts in an attempt to get through this technical problem, namely to produce low stress, adhesive and thick c-BN films.

Due to its widespread availability in industry as well as its flexible variation of parameters, radio-frequency (rf) magnetron sputtering was adopted in this work as the deposition method. An adequate ion bombardment of the growing film essential for the formation of the cubic boron nitride phase was established through a controlled rf- or dc-bias applied to the substrate electrode. The deposition was operated at various pressures between 0.08 and 0.5 Pa either in a non-reactive mode using pure argon as working gas, or alternatively in a reactive mode with an argon/nitrogen mixture. (100)-oriented single-crystalline silicon wafer and hard metal (Quality Grade P35 after ISO 513) were used as the substrates. To enable an easy upscaling and transfer of laboratory coating concepts for industries as well as for other coating techniques, the kinetic processes for the deposition were further described according to those equipment-independent parameters like ion energy, fluxes of film-forming species, ion fluxes as well as substrate temperature.

The phase structure of the deposited films was primarily characterized by Fourier transform infrared spectroscopy (FTIR), and further confirmed by electron energy loss spectroscopy (EELS), X-ray diffraction (XRD) and TEM investigations. The internal stress was estimated according to the curvature radii of the coated silicon beams. In addition, the mass density of the films was evaluated from X-ray reflectivity measurements. The influence of substrate bias and, hence, of ion energy was then discussed within the frame of the subplantation model with respect to the variation of c-BN fraction, internal stress, mass density as well as the phase transformation from the sp2-coordinated BN into the cubic phase. Under optimized growth parameters, FTIR measurements indicate an average c-BN fraction of 85% for the deposited films, whereas the residual sp2-bonding exists mainly within the initial nucleation region between the substrate and the top c-BN layer. However, such films usually exhibit an exceedingly high compressive stress up to -29 GPa resulted quite clearly from the intensive ion bombardment during deposition.

To reduce the compressive stress, one of the logical approaches is to minimize the energy deposited into the growing film from plasma ions so far as the c-BN growth can be maintained. For that purpose a two-step growth process was used in this work. In the first step, an ion energy promoting maximum c-BN fraction as indicated by conventional deposition process was employed for the nucleation of c-BN. The second step followed then at reduced ion energies. With this approach, it was found that the c-BN growth in the second step can be continued at much lower ion energies that would otherwise lead to h-BN growth for the conventional constant ion energy deposition. However, this requires the completion of the c-BN nucleation in the first step as a mandatory condition. When the ion energies for the nucleation and for the further growth of c-BN are separately optimized, a reduction of internal

stress of about 30 % can be achieved for a given c-BN fraction as compared to the conventional constant ion energy deposition. These experimental results have been reasonably interpreted following a rational extension of the subplantation model. The EELS investigations proved the existence of an outmost sp2-bonded monolayer for c-BN films and hence give an elegant support for the subplantation model in that the cubic phase is formed in the subsurface region owing to densification.

Low-stressed films with an acceptable c-BN fraction are also anticipated, on the other hand, at relatively high ion energies in particular near the resputter boundary because of enhanced surface diffusion and relaxation processes. In such cases, the stress of the deposited c-BN films can be further reduced, very effectively, through additional thermal annealing. As a result, the processed films show a drastically reduced stress 10 times lower, whereas the c-BN fraction merely 18 % smaller, than the films with maximum c-BN fraction.

For adhesion improvement of c-BN films, a compositional gradient layer from boron-rich to stoichiometric BN was inserted between substrate and the main c-BN layer. This allows the films to adhere to their substrates until the burden of silicon substrates exceed their tensile strength. The utilization of an adhesive titanium diboride interlayer also gives improved adhesion. The coating concept, which uses stepwise increased ion energy during deposition and appears very successful for the growth of adhesive DLC coatings, can however not be directly applied to the deposition of c-BN films. That is probably due to the complexity of c-BN growth process where in contrast to amorphous carbon films the nucleation of c-BN has to be triggered at appropriate ion energies.

A new coating concept was developed, by which a breakthrough for the deposition of thick adhesive c-BN films can be achieved. The concept is based on (1) a small but controlled incorporation of oxygen in the working gas for reduction of stress, (2) a nano-gradient boronrich binding layer for improvement of adhesion and (3) a chemically gradient nucleation layer. Through this coating concept c-BN films thicker than 2 μm have been successfully produced. The concept can be applied to all PVD as well as plasma-assisted CVD techniques according to its basic principles and, therefore, has unique advantage for the transfer to industrial coating processes.

For the purpose of developing coating technologies suitable for industries, c-BN has been successfully grown via a dc substrate bias at 350 °C. The operation at dc mode appears superior to the rf mode in that it does not disturb the plasma conditions and, additionally, is more economical. The low deposition temperature enables various materials as substrates and leads to quicker processes due to shorter heating and cooling times.

Based on the results in the present study as well as from the literature, the process window for magnetron sputter deposition of c-BN has been summarized. A stress map for boron nitride films in dependence of ion energy and flux ratio of ions to film-forming particles was proposed for the first time.

VOLLTEXT

BIBLIOTHEK