Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 7166 

Verfahrensentwicklungen beim Mehrkomponenten-Spritzgießen zur Herstellung von keramischen und metallischen Mikrobauteilen

G. Finnah

Zusammenfassung
Für die Herstellung von innovativen Mikrobauteilen bedarf es neuer Verfahrensentwicklungen und neuer Materialien. Durch die gezielte Nutzung von Verfahrenskombinationen von Spritzgießtechnologien werden neue Prozessketten entstehen, die nicht nur auf eine höhere Produktqualität abzielen, sondern auch noch Einsparpotenziale bieten. Die zwei vorgestellten Fertigungsverfahren für keramische oder metallische Mikrobauteile erweitern die Auswahl an Technologien und besitzen verfahrensbedingte Vorteile.

Durch das Zweikomponenten-Spritzgießen können Mikrobauteile in großen Stückzahlen wirtschaftlich hergestellt werden – aufwendige Handhabungs- und Montageschritte entfallen. Der hohe Automatisierungsgrad des Spritzgießens erlaubt die Herstellung komplex gestalteter Produkte unter Verwendung hochentwickelter Werkzeugtechnik.

Durch die gleichzeitige Entwicklung zweier Verfahren zum Mehrkomponenten- Spritzgießen konnten Gemeinsamkeiten und thematische Überschneidungen genutzt werden. Synergien ergaben sich insbesondere bei der technischen Realisierung der Versuchsaufbauten, der Versuchsdurchführung, den Optimierungen und der Analyse der Bauteile. Parallelen bestehen ebenfalls bei der Auswahl der beiden zu verarbeitenden Komponenten und der geeigneten Prozesstechnik, um einen guten Werkstoffverbund zu erzielen.

Es konnte gezeigt werden, dass eine rissfreie Verbindung unterschiedlicher Werkstoffe in Mikrodimensionen möglich ist. Auftretende Spannungen erweisen sich im Vergleich zu makroskopischen Verbundflächen als weniger kritisch. Für großflächige Anwendungen sind hohe Bindenahtfestigkeiten durch hohe Kompatibilität der Materialkombination zu erzielen, so dass Eigenspannungen, beispielsweise hervorgerufen durch unterschiedliche Schwindungen, kompensiert werden. Anpassungen des Sinterschrumpfes durch Variation des Füllgrades der beiden zu verbindenden Feedstocks sind förderlich für einen spannungsfreien Verbund.

Die in den Versuchen erreichten Eigenschaften der fertigen Bauteile zeigen auf, welche Qualitäten die Abformungen erfüllen und welche Einsatzbereiche sich erschließen lassen.

Auf der einen Seite können Mikrobauteile aus pulvergefüllten Formmassen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften durch Mehrkomponenten-Spritzgießen hergestellt werden. Nach den nachfolgenden Prozessschritten Entbindern und Sintern verbleibt ein dichtes keramisches Bauteil mit partiell unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten.

Auf der anderen Seite können erhabene Mikrostrukturen mit dem 2K-Spritzgießen abgeformt werden, so dass die Substratoberfläche neben den Mikrostrukturen mit thermoplastischen Formmassen von hoher elektrischer Leitfähigkeit und die Flanken mit nichtleitendem Material abgebildet werden. Die anschließende Galvanoformung und Vereinzelung erlauben die lunkerfreie Abscheidung auch einzeln stehender metallischer Mikrobauteile.

Die Ziele der Miniaturisierung gegenüber dem bekannten Stand der 2K-Technik und der Funktionsintegration durch Einsatz mehrerer multifunktionaler Werkstoffe wurden erreicht. Es konnten u.a. Heiznadeln aus zwei unterschiedlichen keramischen Feedstocks und Mikrozahnräder aus galvanisch abgeschiedenem Nickel hergestellt werden.

Erste Erfahrungen wurden gesammelt, wie Mikrobauteile mit den entwickelten Verfahren zu fertigen sind. Hilfsmittel, wie zum Beispiel die Fließsimulation des Spritzgießens oder Erkenntnisse aus der Prozessoptimierung über Einflussgrößen auf die Bauteilqualität, können zu Rate gezogen werden, um zukünftig die gewonnenen Prozesstechnologien erfolgreich einzusetzen.

Process developments for the production of metal and ceramic microparts by two-component injection moulding

Abstract
For the manufacturing of innovative microparts readjusted process developments are necessary and new materials have to be applied. The use of specific process combinations can originate new process chains, which do not only aim at higher product quality but above all offer savings potentials. The two introduced production techniques for ceramic or metallic microparts extend the variety of technologies and possess advantages founded on the process.

Two-component injection moulding allows economic mass production – extensive assembly steps are not applied. The high automation grade of injection moulding allows the manufacturing of parts with a complex designed applying sophisticated mould techniques.

For the simultaneous development of two processes for multi-component injection moulding the common ground and thematic overlaps are useful. Synergies result in particular from the technical realisation of the experimental equipment, the experimental implementation, the optimisation and the analysis of the parts. Parallels also exist for the choice of the components, which have to be joined, and the suitable process techniques for the bonding of a solid composite.

A defect-free bonding in micro dimensions was shown to be possible. Occurring stresses prove to be less critical in comparison to macroscopic bond interfaces. For large-area applications high weld-seam strength can be achieved by high compatibility of the material combination so that internal stresses, for instance induced by a different shrinkage, can be compensated. Adaptations of the sintering shrinkage by variation of the filling grade of the Feedstocks conduce to a stress-free bond.

On the one hand, microstructures of powder-filled moulding compounds with different physical properties can be manufactured by two-component injection moulding. A dense ceramic part with partial different electrical conductivity remains after the process steps of debinding and sintering.

On the other hand, fine microstructures can be shaped by two-component injection moulding so that the front surfaces of the microstructures are built up with a thermoplastic resin of high electrical conductivity and the flanks with a non-conductive mate rial. The subsequent electro deposition and separation allow the manufacturing of metallic microparts.

The aims of miniaturization and function integration were achieved. It was possible to produce, among other things, heating elements of two different ceramic feedstocks and micro gearwheels of electrodeposited nickel.

First experiences of how microparts have to be manufactured by the process development have been gathered. Auxiliary means like, for example, flow simulation of injection moulding or insights of process optimisation by cause variables influencing the part quality can be considered to apply the new process technologies successfully.

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