Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 7170
Kraftstoff, Strom und Wärme aus Stroh und Waldrestholz
– Eine systemanalytische Untersuchung –
L. Leible, S. Kälber,
G. Kappler, S. Lange, E. Nieke, P. Proplesch, D. Wintzer und B. Fürniß
Zusammenfassung
Die seit 2004 sehr
stark angestiegenen Energiepreise und der im IPCC-Bericht 2007 erneut bestätigte
Anstieg der treibhausrelevanten Emissionen haben dazu geführt, dass auf EU- und
nationaler Ebene ehrgeizige Ziele zur Entwicklung der erneuerbaren Energien
formuliert wurden. Beispielsweise sollen in der EU bis 2020 20 % des
Primärenergiebedarfs und 10 % des Kraftstoffbedarfs im Straßenverkehr durch
erneuerbare Energieträger abgedeckt werden. Hohe Erwartungen werden hierbei
v.a. an die energetische Nutzung von Biomasse geknüpft. Dies führt zu einer
Verschärfung der Nutzungskonkurrenz, da sowohl Wärme und Strom als auch
Kraftstoff aus Biomasse gewonnen werden können.
Vor diesem
Hintergrund wurde von ITAS eine systemanalytische Untersuchung mit der
Zielsetzung durchgeführt, das vom Forschungszentrum Karlsruhe unter dem Namen
bioliq® verfolgte „Βiomass-to-Liquid“(BtL)-Verfahrenskonzept
zur Kraftstofferzeugung aus Biomasse in sein technisches, ökonomisches und
umweltrelevantes Umfeld einzuordnen und zu bewerten. Hierzu wurden anhand der
mengenmäßig bedeutendsten Biomasseträger Stroh und Waldrestholz die
spezifischen Vorteile, aber auch die bestehenden Nachteile des Verfahrens
herausgearbeitet und mit den konkurrierenden Alternativen der Wärme- und
Stromgewinnung verglichen. Zuvor wurde am Beispiel des Landes Baden-Württemberg
und für ausgewählte Anlagenstandorte sehr differenziert dargestellt, welches
energetisch nutzbare Potenzial an Getreidestroh und Waldrestholz zur Verfügung
steht, und zu welchen Kosten.
Ausgangspunkt für die
Verfahrensanalyse der Kraftstofferzeugung aus Biomasse war die detaillierte Beschreibung
des technischen Stands der Schnellpyrolyse, Vergasung, Gasreinigung/-konditionierung
und der Fischer-Tropsch-Synthese. Die ökonomischen Abschätzungen zeigten für energieautarke
Anlagen, dass der FT-Kraftstoff – je nach Anlagengröße – bei
gemeinsamer Nutzung von Stroh und Waldrestholz zu Kosten von rd. 0,90 bis 1,00
€ pro Liter frei Anlage bereitgestellt werden könnte. Sofern dieser
biogene Kraftstoff nicht mit der Mineralölsteuer belastet wird, könnte er
folglich ab einem Rohölpreis von 65 $/bbl mit erdölstämmigem Diesel
konkurrieren. Die Biomassebereitstellung trägt in Abhängigkeit von der
Anlagengröße 50-65 % zu den Kosten des FT-Kraftstoffs bei. Beim Vergleich der
Kraftstofferzeugung mit der Wärme- und Stromgewinnung aus Stroh und
Waldrestholz wird deutlich, dass diese Alternativen näher an der
Wettbewerbsfähigkeit sind bzw. diese bereits erreicht haben. So zeigen die
Ergebnisse, dass die Wärmebereitstellung bereits heute in der Regel nahezu ohne
Subventionen auskommt.
Die realisierbaren
CO2-Minderungskosten liegen beim FT-Kraftstoff deutlich über 200 €/Mg CO2-Äquivalent;
bei der Verstromung können Werte unter 100 € erreicht werden bzw. sind bei
alleiniger Wärmebereitstellung teilweise sogar negativ. Die Ergebnisse zu den
CO2-Minderungskosten legen nahe, die CO2-Minderungsstrategie nicht als
zentrales Argument für die Forcierung der Bereitstellung von FT-Kraftstoff aus
Biomasse darzustellen. Da das BtLKonzept des Forschungszentrums Karlsruhe über
die Pyrolyse und Vergasung jedoch Wege eröffnet, die Biomasse – als
Kohlenstoffträger – einer weitergehenden chemischen Nutzung zuzuführen,
sollte dieser Entwicklungsweg weiter beschritten werden. Dies schließt die
gekoppelte chemisch/energetische Nutzung im Sinne eines
„Biorefinery“-Konzepts mit ein.
Fuel,
electricity or heat from straw and wood residuesTITEL
ENGLISCH
Abstract
As a result of the significant raise in energy prices since
2004 and the increase of greenhouse gas emissions as lately reconfirmed by the
IPCC report 2007, on both the national and EU level ambitious targets were set
regarding the development of renewable energy sources. In the EU for instance,
until 2020 renewable energy sources should cover 20% of the total primary energy
demand and 10% of the fuel demand in road traffic. High expectations are mainly
tied to the use of biomass. These framework conditions lead to an increasing
competition, because heat and electricity as well as fuel can be produced from
biomass.
Against this background, a systems analysis was conducted by
ITAS with the objective, to analyse and assess the
“Biomass-to-Liquid” (BtL) concept – so called bioliq® concept
currently developed at the Forschungszentrum Karlsruhe – for the
production of fuels from biomass with regard to technical, economic, and
environmental aspects. For this, the specific advantages using the dominant
biomass sources – straw and wood residues – as well as the
disadvantages of this technology were identified, and the concept was compared
to competing alternatives for the production of heat and electricity.
Initially, taking the federal state of Baden-Württemberg and selected plant
locations as an example, the volume of straw and wood residues which is
available for energy use was outlined, as well as the supply costs for these biomass
sources.
Starting point for the technology analysis regarding liquid
fuel production from biomass was a detailed description of the present status
quo of fast pyrolysis, gasification, gas cleaning/conditioning, and Fischer
Tropsch (FT) synthesis. Assuming the combined use of straw and wood residues,
the economic estimates for energy self-sufficient plants reveal that FTfuel can
be produced at costs in a range from 0.90 to 1.00 € per litre, free plant
and depending on plant capacity. If this biogenic fuel is not additionally
charged with mineral oil tax, it could compete with fossil Diesel at crude oil
prices of 65 $/bbl. The biomass supply accounts for 50-65% to the production
costs of FT-fuel, depending on the assumed plant capacity. The comparison of
the production of FT-fuel with heat and electricity production reveals that
these alternatives are closer to competitiveness or have already reached
competitiveness in Germany. The study shows that the production of heat from
wood residues is competitive with fossil heating oil without subsidies by the
state.
The CO2 mitigation costs for biogenic FT-fuel are clearly
above 200 € per Mg CO2 equivalent; regarding the electricity production
they are in a range below 100 € and for exclusive heat production they
can be even negative. These results concerning CO2 mitigation costs suggest not
using the CO2 mitigation strategy as a central argument for the promotion of
FTfuel production from biomass. But because the BtL concept of the Forschungszentrum
Karlsruhe opens up new ways to use biomass as carbon carrier for other chemical
purposes, this technological path should be pursued definitely.
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