Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte – FZKA 7182
Polymere,
mikrostrukturierte Zellkulturträger für das Tissue Engineering
S. Giselbrecht
Zusammenfassung
Die dreidimensionale
Kultivierung von Zellen zur in vitro Rekonstitution von Geweben erfordert
Gerüststrukturen, deren Geometrien, Materialeigenschaften und Porositäten
definiert erzeugt werden können. Am Forschungszentrum Karlsruhe wurde ein
polymerer, mikrostrukturierter Zellkulturträger im Chipformat für die
dreidimensionale Kultivierung von Zellen entwickelt, dessen Verfahren zur
Herstellung im Rahmen dieser Arbeit verbessert wurde.
In einer ersten, kurzfristigen Strategie wurde ein modulares Konzept für den Aufbau
des Zellkulturträgers vorgesehen. Dabei wurde der kosten- und zeitaufwändige
Prozess des laserbasierten Mikroperforierens der Containerböden durch das
Aufbringen einer vorkonfektionierten Ionenspurmembran auf die Unterseite der
spritzgegossenen und rückseitig geöffneten Gerüststruktur ersetzt. Um eine
flächige und fluidisch dichte Verbindung der Membran mit dem
mikrostrukturierten Grundkörper zu erzielen, wurde ein neuartiges Lösungsmittelschweißverfahren
adaptiert, bei dem beide Fügepartner oberflächlich durch Lösungsmitteldampf
angelöst werden. Die kurze aber gut kontrollierbare Lösungsmittelkontaktzeit
verhindert eine Beeinträchtigung der Geometrie der Mikrostruktur und ermöglicht
eine Aufrechter-haltung einer, z. B. durch UV-Bestrahlung, zuvor erzeugten
Oberflächenmodifikation während des Fügeprozesses. Durch die Entwicklung einer
teilautomatisierten Anlage konnten in einem Batch-Prozess 4 Zellkulturträger
mit Lösungsmittelkontaktzeiten von etwa 15 s parallel miteinander verschweißt
werden, so dass eine deutliche Kostenreduktion der Herstellung im Labormaßstab
möglich war.
Im Rahmen einer zweiten, langfristigen Strategie wurde ein vor
kurzem entwickeltes, formgebendes mikrotechnisches Verfahren, das
Mikrothermoformen, zur Herstellung des Zellkulturträgers mit einem
modifizierten Design angewendet. Dieses Verfahren ermöglichte die Herstellung
eines Arrays aus 25 x 25 dünnwandigen, unvergrabenen und zylinderförmigen
Mikrokavitäten mit einem Durchmesser von 350 μm und einer Tiefe von 300
μm. Hierfür wurden verschiedene dünne thermoplastische Folienhalbzeuge
verwendet. Damit in den mikrothermogeformten Zellkulturträgern eine
Nährstoffversorgung immobilisierter Zellen mittels Perfusion möglich ist,
wurden drei Verfahrenskombinationen des Mikrothermoformens mit der
Ionenspurtechnologie zur Perforation der Mikrokavitäten entwickelt. Dabei
gelang es u. a. durch eine unkonventionelle Anordnung der einzelnen
Prozessschritte in der Reihenfolge Bestrahlung, Mikrothermoformen und Ätzen
dünnwandige und allseitig perforierte Mikrokavitäten herzustellen. Das
Mikrothermoformen bietet darüber hinaus die Möglichkeit, texturierte und an der
Oberfläche physikochemisch modifizierte Folien zu formen, ohne dass diese
spezifischen Eigenschaften durch das Umformen verloren gehen. Das Mikrothermoformen
könnte zukünftig eine kosteneffektive (Massen-) Produktion des
Zellkulturträgers in einer Endlos-Fertigungslinie ermöglichen.
Die mit den neu entwickelten Verfahren
hergestellten Zellkulturträger-Prototypen wurden sowohl mit verschiedenen
Zelllinien als auch mit primären Zellen validiert. Anhand von verschiedenen
zellbiologischen Tests konnte die Biokompatibilität der beiden Verfahren und
der verwendeten Materialien nachgewiesen werden. Darüber hinaus zeigten
zellphysiologische Vergleichsmessungen zwischen den neuen Prototypen und der
bisher verwendeten Form des Zellkulturträgers keine signifikanten Unterschiede.
Polymeric, Microstructured Tissue Culture Substrates for
Tissue Engineering
Abstract
Three-dimensional cell cultivation for in vitro
reconstitution of tissue requires scaffoldings which can be produced with
well-defined geometries, material properties, and porosities. Forschungszentrum
Karlsruhe has developed a polymeric, microstructured tissue culture substrate
in the chip format for three-dimensional cell cultivation. Within the scope of
this thesis, the manufacturing process of this microstructured substrate was
improved.
The initial short-term strategy
focused on a modular concept for the configuration of the tissue culture
substrate. Cost- and time-consuming laser-based microperforation processing of
the container bottoms was substituted by applying a pre-fabricated ion track
membrane onto an injection-moulded scaffold which was open at the rear. In
order to obtain a laminar and leak-proof bond between membrane and
injection-moulded part, a novel solvent welding process was adapted –
both joining parts were superficially dissolved by exposure to a solvent
vapour. Any adverse effect on the microstructure’s geometry was prevented
by a short, well-controlled contact time with the solvent. This also allowed
for the preservation of prior surface modifications, e.g. by UV irradiation,
during the bonding process. Due to the development of a semi-automated system,
a batch of 4 scaffolds could be welded simultane-ously with solvent contact
times of approximately 15 s and, hence, laboratory-scale manufac-turing costs
were reduced considerably.
Within the scope of a second, longer-term
strategy, a recently developed microfabrication method, microthermoforming,
was applied for the production of a modified design tissue culture substrate.
An array of 25 x 25 thin-walled, recessed, cylindrical microcavities with a
diameter of 350 μm and a depth of 300 μm was fabricated. For this
purpose, various thin thermoplastic semi-finished foils were used. In order to
enable medium supply by perfusion, three process combinations of
microthermoforming and ion track technology were developed for the perforation
of the microcavities. Using a new process sequence of irradiation,
mi-crothermoforming, and etching, it was succeeded in producing thin-walled
microcavities perforated on all sides. Additionally, microthermoforming allows
to shape textured foils and foils, the surfaces of which have been modified
physico-chemically, without loss of these specific properties during the
shaping process. In the future, microthermoforming may enable cost-effective
(mass) production of the tissue culture substrate in a continuous production
line.
Validation of the tissue culture substrate prototypes produced by these
new processes was carried out with different cell lines and with primary cells.
By assessing a range of different cell-based assays, biocompatibility of both
processes and the materials used was demon-strated. Comparative measurements
concerning the cell physiology of three-dimensionally cultured cells in these
new prototypes and in the previous design of the tissue culture sub-strate did
not show any significant differences.
VOLLTEXT
BIBLIOTHEK