Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 7337
„Unsichtbar und
unendlich“ - Bürgerperspektiven auf Nanopartikel
Ergebnisse zweier Fokusgruppen-Veranstaltungen in Karlsruhe
T. Fleischer, C. Quendt
Zusammenfassung
Obwohl sich viele der Ansätze, die als Nanotechnologie
charakterisiert werden, noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, gibt
es bereits eine öffentliche Diskussion über die Chancen und Risiken ihrer
vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Die empirische Forschung über die
Wahrnehmung von und die Haltung der Öffentlichkeit zur Nanotechnologie ist,
gerade auch in Deutschland, erst am Anfang. Einige quantitative Untersuchungen
auf nationaler und europäischer Ebene liegen bereits vor, diese sind aber eher
punktuell und untereinander kaum vergleichbar. Verallgemeinernd kann man
formulieren, dass diese Studien zeigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit
an Nanotechnologie und ihr Wissen darüber eher gering sind. Nanotechnologie
wird von den Bürgerinnen und Bürgern als eher diffuses Konzept wahrgenommen.
Die Haltung der Öffentlichkeit zur Nanotechnologie, ihre Einschätzungen zu
deren Möglichkeiten und Risiken ist vergleichbar mit ihrer Haltung zu
Wissenschaft und Technik im Allgemeinen, weshalb Nanotechnologie auch als
„no specific attitudes”-Technologie beschrieben werden kann.
Bei jungen Technologien stoßen quantitative Verfahren schnell an methodische Grenzen. Darum sind in den letzten Jahren in einer Reihe von Ländern - zum Großteil im Rahmen partizipativer Projekte - auch Untersuchungen unter Anwendung von Methoden der qualitativen Sozialforschung durchgeführt worden. Mit ihnen ist es einfacher möglich, die mit den vertretenen Positionen verbundenen Motive, Begründungen und Werthaltungen zu erheben. Damit einher geht die Hoffnung, frühzeitig potenzielle Problemfelder erkennen und zu einer gesellschaftlich konsensfähigen Technikgestaltung beitragen zu können. Die sicher prominentesten Methoden in diesem Bereich sind Fokusgruppen, citizens juries und Konsensuskonferenzen sowie Variationen dieser Verfahren.
Der vorliegende Report stellt die Ergebnisse zweier Fokusgruppen-Veranstaltungen mit zufällig ausgewählten Bürgern der Stadt Karlsruhe vor, die im Januar 2007 im Rahmen des BMBF-Projektes NanoCare durchgeführt wurden. In Fokusgruppen-Interviews, auch als moderierte Gruppeninterviews bezeichnet, können die Teilnehmer in der Diskussion mit Anderen ihre Meinungen austauschen und ihre eigenen Sichtweisen zur Debatte stellen. Auf diese Weise wird in einer alltagsähnlichen Situation ein breites Spektrum von Positionen deutlich und deren Bezüge und Hintergründe besser verständlich.
Im Rahmen der Veranstaltungen äußerten die meisten Teilnehmer, bisher wenig Bezug zum Thema „Nano“ gehabt oder auch nur davon gehört zu haben. Zwischen Nanopartikeln, dem eigentlichen Diskussionsgegenstand, und Nanotechnologie wurde in den Antworten kaum differenziert. „Nano“-Produkte waren den wenigsten bisher aufgefallen. Die meisten Teilnehmer kamen mit wenig Vorwissen, aber großer Offenheit und viel Neugier in die Diskussionsrunden.
Gefragt nach Chancen, die sich durch den Einsatz von synthetischen Nanopartikeln in Zukunft erschließen lassen würden, wurden vor allem Beispiele aus den Bereichen Medizin, Energie und Umwelt sowie „Alltagserleichterungen“ genannt. Im Gespräch über wahrgenommene Gefahren spielten Produktkategorien nur eine Nebenrolle, als einziges hier explizit genannt wurde die Verwendung in Lebensmitteln. Während die meisten Teilnehmer Forschung zur Nanotechnologie nahezu uneingeschränkt befürworteten - nahezu alle sprachen sich gegen ein Forschungsmoratorium aus -, problematisierten etliche zugleich eine „unreflektierte Kommerzialisierung“, eine Markteinführung unzureichend getesteter Produkte aus ökonomischem Interesse oder unter wirtschaftlichem Druck.
In der
Gesamtschau überwog bei der Mehrheit der Teilnehmer trotz aller Skepsis im
Detail eindeutig eine positive Grundhaltung. Dies kann jedoch nicht
gleichgesetzt werden mit einer allgemein wohlwollenden, undifferenzierten
Position. Vielmehr wurden in der vertiefenden Diskussion auch Einschränkungen
und Abwägungen in Abhängigkeit von den Anwendungen deutlich. Häufig nahmen die
Teilnehmer hier in einer Art Analogieschluss Rekurs auf (eigene) Erfahrungen
mit „Problemtechniken“. Ein weiteres wichtiges Thema war die Rolle
von Produktdeklarierungen als Grundlage informierter Entscheidungen. Des
Weiteren erarbeitet wurden zahlreiche Hinweise für die Ausgestaltung eines
öffentlich zugänglichen webbasierten Informationsangebotes zu Chancen und
Risiken von synthetischen Nanopartikeln.
“Invisible
and infinite”. Citizens’ perspectives
on nanoparticles
Abstract
Although
nanotechnology is still an emerging technology there is already some public
debate about opportunities and risks of its various applications. Empirical
social research into public perception of and public attitudes towards nanotechnology
is still in its very early stage. Some quantitative research has been done so
far to figure out what laypeople think about nanotechnology in general, but it
often is rather isolated and results are hard to compare with each other.
Overall, these results show that the interest of the general public in and the
knowledge about nanotechnology are rather low and that there is a strong
relation between the public perception of nanotechnology and other
technologies. If at all known, „nanotechnology” is a fuzzy concept
to laypersons and can probably best be described as „no specific
attitudes” technology.
To find out more about the reasons that lay behind
peoples perceptions of opportunities and risks of nanotechnology as well as
about possible „hot topics”, qualitative and participatory
approaches have been applied in various countries in the last few years.
Generally speaking, participatory approaches advocate
actively involving „the public” in decision-making processes,
whereby the relevant „public” depends on the topic being addressed.
A growing number of technology assessment organisations, but also governmental
and academic institutions or NGOs, are experimenting with and implementing
participatory methods, enabling a better interaction between the public,
stakeholders, experts and policy-makers in the process of shaping a technology
and its regulatory framework. The most prominent methods for the inclusion of
the general public in discussions about future developments in science and
technology are focus groups, citizens juries,
consensus conferences, and variations thereof.
As a form of qualitative research, focus groups are
basically group interviews that collect data and insights from group
interaction on a given subject. This report presents results from a recent
(January 2007) focus group exercise within the German NanoCare project that
concentrated on the attitudes of laypeople, experts and multipliers towards
synthetic nanoparticles and nanotechnology in general and tried to investigate the
information needs especially of the lay public.
Similar to other studies, the participants of the lay
focus groups mostly had only little knowledge about nanotechnology, but were
nevertheless interested to learn more about the technology itself and its
applications. Advances in nanotechnology were considered to be very important
for solutions of medical, environmental and energy-related problems as well as
making everyday life easier. Though most interviewees were positive about
nanotechnology they would not accept products that were not tested before
introduced to the market. Many of them expressed their fear of
„unreflected commercialisation” of nanotechnology. They demanded
independent control of research and transparent declaration of products containing
nanoparticles as fundamental prerequisites of public trust. Furthermore, the
participants asked for more information and clarification especially on the
topic of risk assessment of the various nanotechnology applications, and for
more discussion of new scientific outcomes with the public. Only then, they
argued, can nanotechnology in general be successfully introduced into a huge
number of fields in our lives.
Experience shows that laypeople are interested in
participating in discussions about future developments in science and
technology. The participants in this focus group exercise - randomly selected
from the population of Karlsruhe - almost unanimously indicated that these
instruments should be used more often to gather opinions of the general public
about new technological developments. Given the broad scope of values and
attitudes, the early developmental stage of nanotechnology and the low level of
information about this subject, open formats like focus group interviews appear
to be more appropriate than formats that work towards consensus statements or
votes.
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