Forschungszentrum Karlsruhe - Wissenschaftliche Berichte - FZKA 7401
Einfluss von Kohlenstoff-Nanopartikeln auf die Zellphysiologie
– mechanistische Studien zur toxischen Wirkung
Karin Pulskamp
Zusammenfassung
Neuen Technologien wird
oftmals mit Argwohn und Vorurteilen sowie einem hohen Anspruch auf Sicherheit
und regulatorischen Maßnahmen begegnet. Im Fall der Nanotechnologie müssen den
viel versprechenden neuen Möglichkeiten die potentiellen Risiken einer
Expositionsgefährdung am Arbeitsplatz oder der Umwelt bei der Bewertung gegenübergestellt
werden. Ähnlich wie bei der Exposition gegenüber Ultrafeinstäuben, stellt sich
mit zunehmender Produktion und Verarbeitung von Nanomaterialien die Frage nach
einer möglichen Toxizität bzw. ihren Auswirkungen auf die Umwelt. Die toxikologische
Charakterisierung beispielsweise von neuartigen Kohlenstoff-Nanomaterialien hat
gerade erst begonnen, und die bisherigen Daten sind noch sehr lückenhaft und
oftmals widersprüchlich.
Als wichtige Vertreter für Nanomaterialien
wurden für die vorliegende Arbeit verschiedene Typen von einwandigen
Kohlenstoff Nanoröhren (single-walled Carbon Nanotubes; SWCNTs) ausgewählt, die
sich hauptsächlich in der Art und Menge ihrer synthese-bedingten
Verunreinigungen, wie z.B. den Metallen und amorphem Kohlenstoff, unterschieden.
Einen der bedeutendsten Expositionswege stellt sicher die Inhalation und damit
die Exposition der Lunge dar. Aus diesem Grund wurden humane Lungenepithelzellen
(A549) sowie humane Endothel-ähnliche Zellen (ECV304) gewählt, um eine
potentielle Toxizität, sowie deren zugrunde liegende Mechanismen dieser neuartigen
Kohlenstoff-Nanoteilchen, im in vitro Zellsystem eingehend zu untersuchen und
zu charakterisieren.
Mithilfe lichtmikroskopischer und
elektronenmikroskopischer Methoden konnte zunächst eine intrazelluläre Aufnahme
der SWCNTs dokumentiert werden, die sowohl frei als auch in
membranumschlossenen Vesikeln vorlagen, was zu verändertem zellulären Verhalten
führen könnte. Weiterhin konnte mithilfe standardisierter Vitalitätstests
(WST-1, LDHTest, PI-Färbung) keinerlei akut cytotoxische Wirkung der SWCNTs auf
unterschiedliche Zelllinien festgestellt werden. Allerdings wurde in dieser
Arbeit gezeigt, dass Kohlenstoff-Nanoröhren mit dem MTT-Test interagieren
können und somit einen „falsch positiven“ Effekt, in Bezug auf ihre
Cytotoxizitzät hervorrufen. Des Weiteren konnte weder eine apoptotische noch
anti-proliferative Wirkung nach SWCNT-Kontakt der Zellen nachgewiesen werden.
Eine Schlüsselrolle in der SWCNT-induzierten Toxizität scheint jedoch die
Fähigkeit einzunehmen, reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und somit Oxidativen
Stress auszulösen, wobei die Art und Menge der Verunreinigungen hierbei einen
wesentlichen Faktor darstellen, der sowohl die Höhe als auch die zeitliche
ROSFreisetzung bestimmt. Auch bei der Aktivierung von pro-inflammatorischen
Signalwegen, wie dem NFκB-Signalweg scheint ROS eine zentrale Bedeutung zu
haben, auch wenn Antworten beobachtet wurden, die außerhalb der
ROS-vermittelten Reaktionswege liegen müssen.
Die in dieser Arbeit gewonnenen
Erkenntnisse sind richtungweisend in Bezug auf die potentielle Toxizität und
das inflammatorische Potential der neuartigen Kohlenstoff-Nanomaterialien. Die
Ergebnisse belegen, dass die hier verwendeten SWCNTs keinerlei akute
Cytotoxizität in vitro aufweisen, jedoch erheblichen Einfluss auf die Analysesysteme
selbst ausüben können. Auf der anderen Seite haben sie eine hohe Attraktivität
für Zellen inne, die zu einer aktiven Umstrukturierung der Zellen und SWCNT-Zell-Agglomeraten
führt.
Die vorliegenden Hinweise untermauern die
Notwendigkeit, dass eine genaue Überprüfung, sowohl der Toxizität als auch der
Biokompatibilität, mit standardisierten Materialien sowie unabhängigen
Testsystemen, unerlässlich ist, um die Sicherheit der Materialien aber auch der
gewonnenen Erkenntnisse zu gewährleisten, damit der Weg für potentiell neue
Anwendungen der neuen Nanomaterialien nachhaltig gestaltet werden kann.
Influence of carbon nanoparticles on cell physiology –
mechanistic studies on the toxic effects
Abstract
New technologies often have to face high suspicion and
prejudice and at the same time they also have to fulfill a high demand for
safety and regulation. For emerging nanomaterials new possibilities as well as
the potential risks of an occupational and environmental exposure needs to be
evaluated carefully. As for ultrafine particles, the potential and the growing
use of nanoparticles and their mass production have raised several questions
about their safety and environmental impact. Research on the toxicity of new
carbon conformations have just begun and the data are still fragmentary and
often contradictory.
In the present study different types of single-walled carbon nanotubes
(SWCNTs) were used as a model nanoparticle, which mainly differ in the type and
amount of synthesisrelated impurities (amorphous carbon, metals). At the moment
one of the most likely exposure-routes for SWCNTs is by inhalation. In the
following work human lung epithelial cells (A549) as well as an
endothelial-like cell line were used in order to measure and characterize
potential toxicity and the underlying mechanisms of these new carbon
nanoparticles.
First of all an intracellular uptake of SWCNTs, which were either found
freely distributed or enclosed in membrane-bound vesicles, was clearly
demonstrated by the use of light and electron microscopy and may induce adverse
effects. Although, no acute cytotoxicity could be observed after
SWCNT-incubation of different cell lines using several viability assays (WST-1,
LDH, PI-staining), the present study could demonstrate that carbon nanotubes
can interact with widely used viability assays (MTT) leading to “false
positive” results regarding their cytotoxic potential. Additionally,
neither an apoptotic nor antiproliferative effect could be detected. A key role
in the SWCNT-induced toxicity seems to be their ability to induce reactive
oxygen species (ROS) and therefore leading to oxidative stress. The type and
amount of impurities play an important role in the amount of ROS induction as
well as the time-dependency of the SWCNT-induced ROS-release. ROS also seems to
be an important element in the activation of pro-inflammatory signalling pathways,
e.g. the NFκB pathway. However, it has been shown that there exist other mechanisms
besides ROS-mediated signalling in order to explain the inflammatory potential
of SWCNTs.
The present results have highlighted the difficulties in dealing with this
new carbon nanomaterial and give raise to their potential toxicity and
inflammatory potential. The data show that these SWCNTs exhibit no acute
cytotoxicty in vitro but rather pose some attractiveness to cells to get
closely attached to SWCNT material and to actively form SWCNT-cell-agglomerates.
The available data clearly indicate that further studies on the possible
toxicity as well as the biocompatibility with well-characterized nanomaterials
are needed and the validation of these effects with independent test-systems is
a prerequisite to determine the safety of nanomaterials and to open up new ways
for possible applications.
VOLLTEXT
BIBLIOTHEK